27.11.2023

Volvo XC40 Pure Electric – Stromer im Dauertest

Ein Jahr lang hatten wir den Volvo XC40 Pure Electric als Testwagen in der Redaktion. Über 34.000 Kilometer sind wir gefahren, durch halb Europa von Andorra bis nach Prag. Unser Langzeit-Fazit.

Nach einen Jahr Dauertest ziehen wir Bilanz und betrachten Stärken und Schwächen des Elektro-SUV.

Positiver Fahreindruck und viel Platz für Passagiere

Der Volvo fährt sich angenehm, liegt gut auf der Straße und auch die Lenkung ist wohlgefällig.

Spaß macht die Motorisierung. Mit 408 PS sind die stolzen 2,1 Tonnen Leergewicht in 4,9 Sekunden von 0 auf 100 km/h beschleunigt.

Die Stärke der Rekuperation, wie groß also die Energiegewinnung beim Abbremsen und damit auch die Bremswirkung ist, lässt sich nicht in verschiedenen Stufen einstellen.

Besonders angenehm: Es braucht keinen Schlüssel mehr, der ins Zündschloss gesteckt werden muss, wie etwa noch beim Dacia Spring. Es gibt auch keinen Start-Knopf. Der Schlüssel ist in der Jackentasche, die Türen entsperren, sobald die Türgriffe umfasst werden. Reinsetzen, Bremse drücken, Schalthebel auf D und los geht’s. Danach nur auf P drücken, das Auto fährt selbstständig „herunter“. Unkompliziert und effizient.

Das Raumangebot ist auf allen Sitzen großzügig und auch für die Langstrecke geeignet.

Zu den technischen Daten des Volvo XC40 Pure Electric

Großzügiger Kofferraum mit Tücken

Ein großer Vorteil ist der geräumige „Frunk“, der vordere Kofferraum. Hier lagert das oftmals nasse oder dreckige Ladekabel.

Der Kofferraum kann komplett für das Gepäck genutzt werden und bei Ladestopps ist kein Umräumen notwendig, um das Kabel aus dem Unterboden zu holen. Mit 419 Litern ist der Kofferraum sehr geräumig.

Der „Hands Free Access“, der den Kofferraum mit einer Fußbewegung unterm Heck öffnet, ist praktisch. Er überreagiert aber manchmal. Beim Hantieren an der Anhängerkupplung etwa öffnete sich plötzlich die Heckklappe auf Höhe des Kopfes des Fahrers. Ein anderes Mal schloss sich die Klappe plötzlich beim Ausladen und hätte fast auf den Hinterkopf gestoßen.

Das Infotainmentsystem lief nicht stabil

Öfter hatten wir mit einem Ausfall der Technik im Infotainmentsystem zu kämpfen. Schon in der ersten Woche war das Auto auf der Fahrt in den Harz „offline“. Die Navigation sowie Ladepunktsuche waren nicht möglich.

Auf der Rückfahrt fiel zusätzlich die Restreichweitenanzeige aus. Kilometerstand etwa 2.000 Kilometer. Gut 1.500 Kilometer später fror bei der Fahrt durch Belgien die Navigation im großen Display ein.

Andere Apps konnten weiter bedient werden, nur Google Maps blieb eingefroren. Im Armaturendisplay lief die Navigation weiter.

Android oder nicht Android

Das Fahrzeug hat ein Google-Betriebssystem, nämlich Google Built-in. Eine Verknüpfung mit Handys, die ein Android-Betriebssystem haben, sollte also ganz einfach sein. Ist es aber nicht. Denn das dazu benötigte Programm Android Auto gibt es nicht. Ein Verknüpfen von Apps, die auf Android-Handys installiert sind, ist damit nicht möglich. Dafür bietet der XC40 aber Apple CarPlay. Apps von iPhones lassen sich also verknüpfen.

Verkehrszeichenerkennung Flop, Parkkamera Top

Absolut durchgefallen ist die Verkehrszeichenerkennung. Nicht nur im Ausland zeigte diese teilweise völlig falsche Schilder an. Am kuriosesten „Tempo 30“ mit „Achtung Kinder“ auf der Autobahn.

Auch der Abstandssensor greift trotz minimaler Einstellung sehr früh ein. Wer etwa seitlich an einer Hecke parken oder in einem Parkhaus rangieren möchte, muss sich im Innern auf ein kleines Warnsignalton-Konzert einstellen.

Mit der 360°-Surround-View-Parkkamera, die das Auto samt direkter Umgebung von oben zeigt, ist das Einparken dennoch kein Problem. Ohne sie wäre es manchmal nicht so leicht, da der Volvo mit seiner langen Schnauze nicht ganz übersichtlich ist.

Der Volvo ist ganz schön "durstig"

Der WLTP-Verbrauch liegt bei 20,7 kWh/100 km. Das entspricht etwa 2,4 Litern Benzin und ist für ein E-Auto nicht gerade sparsam.

Im Juni unternahmen wir eine spezielle Testfahrt von Stuttgart in den südlichen Schwarzwald nach Titisee-Neustadt und zurück – allerdings mit langsamem Tempo, also 100 km/h auf der Autobahn, 80 km/h auf Landstraßen. Am Ende zeigte der Bordcomputer einen Verbrauch von 18,2 kWh an. Da es beim Laden allerdings zu Verlusten kommt und ehr geladen werden muss, als verbraucht wird, liegt der tatsächliche Verbrauch bei dieser Testfahrt mit einer Länge von 410 Kilometern bei 19,8 kWh/100 km.

Das änderte sich im Winter. Bei einer Fahrt Ende Januar nach Berlin mit etwas mehr Autobahnanteil und, wo möglich, Tempo 130 km/h lag der Verbrauch bereits bei 27 kWh/100 km. Die Reichweite betrug hier enttäuschende 180 Kilometer, im Sommer kletterte sie auf bis zu 300 Kilometer auf der Langstrecke.

Vorkonditionierung verbessert die Ladeleistung

Die Ladeperformance ist ordentlich. Maximal 150 kW, im Durchschnitt um die 115 kW. Damit lädt der Akku von 10 auf 80 Prozent in etwa 20 Minuten. Ob die Batterie vorkonditioniert wird und damit zum schnellen Laden bereit ist, zeigt das Fahrzeug nicht an. Ohne Vorkonditionierung, das zeigt sich besonders im Winter, kann sich die Ladezeit auch auf über 50 Minuten ausweiten.

Übrigens: Weitere Tipps, wie Sie mit dem E-Auto sicher und sparsam durch den Winter kommen, gibt es in unserem Artikel "Elektromobilität im Winter".

Laderoutenplanung ist schnell und genau 

Der Volvo hat eine Laderoutenplanung, in der Fahrende Ladesäulen suchen und ansteuern können. Die Planung funktioniert schnell, die prognostizierten Ladestände sind ziemlich exakt. Manchmal allerdings wurden Ladesäulen, die geschickt direkt an der Autobahn lagen, nicht angezeigt und stattdessen nur Säulen abseits der Autobahn. 

Häufiger Gast in der Werkstatt

Unser Testwagen hatte überdurchschnittlich viele außerplanmäßige Werkstattaufenthalte. Den ersten schon zwei Wochen nach Anlieferung, um ein Software-Update zu erhalten. Grund waren die Probleme mit dem Infotainmentsystem.

Ein halbes Jahr später ploppte die Meldung auf „Antriebssystem erfordert Wartung“ und führte den Wagen erneut in die Werkstatt.

Weitere zwei Monate später löste sich am Heck eine Leiste aus Weichkunststoff unter der Stoßstange. Der gerufene Techniker konnte nicht helfen, so folgte der nächste Werkstatttermin.

Beim neuen Volvo (s. u., "Alt gegen neu") wurde kurzzeitig eine Störung am linken Blinker angezeigt, die aber von selbst wieder verschwand.

Alt gegen neu

Ende 2022 erhielt der Volvo XC40 eine neue Motorisierung. Wir haben beide Versionen auf der Langstrecke getestet. Die Ergebnisse gibt's in unserem Youtube-Video und im Podcast ACE LENKRADIO.

Unser Fazit

Der XC40 hat sich im Dauertest ordentlich geschlagen, zeigte aber an mehreren Stellen noch Potenzial nach oben.

Die größten Schwächen im Alltag zeigten sich bei der Reichweite und dem Verbrauch. Vor allem im Winter ist die Fahrt mit dem XC40 auf der Langstrecke mühsam. An genau diesen Schwächen hat Volvo aber gearbeitet (s. u., "Alt gegen neu"). Das Fahrgefühl an sich ist angenehm, das Platzangebot im Innen- und Kofferraum ist großzügig. Die Ausfälle im Infotainmentsysten trüben den Fahrspaß.