22.06.2021

VW Multivan/T7 – Bulli mal ganz anders

Außen drahtig, innen flexibel, Motoren mit Schwerpunkt Benziner und Plug-in-Hybrid – VW schlägt mit dem Multivan ein völlig neues Kapitel auf.

Der Ort der Premiere ist ein ehemaliges Lok-Ausbesserungswerk. Angesichts dessen könnte man jetzt fabulieren, was am nagelneuen Multivan als Zugmaschine der VW Transporter so alles ausgebessert wird, nachdem sein Vorgänger über T5, T6 und T6.1 zu einem automobilen Methusalem von 18 Jahren reifte. Dieses Alter hat nicht mal der legendäre Transporter T1 erreicht. Es ist ein Kompliment an den Alten, dass er nun voller Spannkraft in Rente geht.

Bulli ist Kult

„Wenn man in die Autowelt nach den Ikonen schaut, dann gibt es den VW Käfer, den Porsche 911 und dann kommt schon der Bulli – den kennt jeder, den mag jeder und jeder verbindet irgendeine Erinnerung damit“, hebt Carsten Intra hervor, Chef von Volkswagen Nutzfahrzeuge (VWN). Dieser Bulli wird jetzt ein anderer.

Eine Ikone auf dem Weg in die Zukunft

„Er ist ein Bulli der Zukunft“, betont Lars Menge, Leiter Produktmarketing. Der VW macht einen mächtigen Satz, vergleichbar mit dem Wechsel einst vom Heckmotor-T3 zum Frontmotor-T4. Die Eisernen werden behaupten, der  Multivan T 6 sei der letzte Wahre gewesen. Wie bei jedem Modellwechsel. Vielleicht ändern sich die Eisernen nicht, aber die Zeiten.

Der T7 als Alternative zu einem SUV

Links und rechts sinken die Vans darnieder, doch der neue Multivan zeigt Mut zur Lücke. Intra: „Ich glaube, dass wir den einen oder anderen SUV ersetzen können.“ Die Sicherheitsvorgaben verlangen eine lange Nase – wer das Volumen des T6 benötigt, muss daher zur Langausgabe (5,17 Meter) statt zur bereits stattlichen Kurzvariante (4,97 Meter) greifen.

Der Bulli ist elegant wie noch nie

Etwas bemüht wirken die Vergleiche von Chefdesigner Albert Kirzinger, der in einer umlaufenden „Bulli-Linie“ und dem Dreiecksfensters frühere Epochen des Kult-Vans erkennt. Aber mehr Eleganz war nie: Je nach Ausstattung ist die Blende zwischen den Scheinwerfern schwarz oder gläsern mit einem Lichtbogen, umfließt ein silbriges Band die Karosserie, die Führung der Schiebetür ist verdeckt.

Der Multivan ist gut in Form

Mit einem Top-Luftwiderstandsbeiwert schneidet der Multivan durch den Wind. Dach und Flanken sind gewölbt, hinten wächst ein markanter Spoiler wie ein Bürzel. Der Verbrauch und die CO2-Emissionen müssen runter, deshalb hat der VW auch kräftig abgespeckt. Entwicklungsleiter Kai Grünitz: „In Summe haben wir über 200 Kilo rausgeholt, durch die Sitze, eine Kunststoff-Heckklappe und das Fahrwerk.“ Es besteht überwiegend aus Aluminium. Grünitz: „Auch wenn’s grundsätzlich die gleiche Technik ist, sind wir deutlich komfortabler und agiler geworden.“

Der Innenraum ist entscheidend

Klingt vielversprechend, doch gekauft wird ein Multivan wegen seines Innenraums. Der Ur-Multivan von 1985 war ein abgespeckter Campingbus. Im Zweifelsfall per Dampfstrahler zu reinigen. Der neue Multivan hat einen durchgehend ebenen Fußboden mit Schienensystem, kennt nur noch Einzelsitze. Mittendrin steckt ein Tisch wie ein Multifunktionswerkzeug.

Flexible Sitze sorgen für viel Laderaum

Die Sitze im Fond sind nicht drehbar, aber sie lassen sich umstecken. Da erheblich leichter, ist dies nun ebenso zumutbar wie ein schneller Ausbau. Sitze fix zusammenschieben für den Waschmaschinenkarton, eine Reihe herausnehmen und Fahrräder hinein – mehr Multivan war nie. Kirzinger: „Er hat alle Gene eines Transporters.“

Panoramadach ist Wink mit dem Zaunpfahl

Zwar ist der Multivan-Scheitel niedriger, doch die Innenhöhe ist geblieben, denn die Fondbelüftung wanderte in den Dachrahmen. „Ein Wohnzimmer auf der Straße“ verspricht Kirzinger, verweist auf die Ambiente-Beleuchtung. Trickreich machen die mittleren Sitze Platz beim Einsteigen. Oben lässt ein Panorama-Dachfenster die Sonne herein. Mit Dämmglas, versteht sich. Kann der neue T7 auch California? „Aber voll“, erklärt Kirzinger, „einfach das große Panoramadach anschauen, das ist ein Wink, was alles noch passieren kann.“

Digitales Cockpit mit viel Platz

Da die Vordersitze tiefer angeordnet sind, können Fahrer und Beifahrer nun hineinlaufen statt einsteigen. Das serienmäßige DSG-Getriebe wird mit einem Knubbel betätigt, die elektrische Parkbremse per Taste, beides schafft Platz. Hier in der ersten Reihe ist der Multivan ein Riesen-Golf. Weil er auf dem gleichen Aggregate-Baukasten basiert, weil das digitale Cockpit Einzug hält, mit seiner umstrittenen Bedienung. Drumherum fügt VW modellabhängig nun fast echtes Holz hinzu.

Plug-in-Hybrid ergänzt das Angebot

Das ist ebenso Geschmackssache wie die Startmotorisierung aus Benzinern. Der zarte 1,5-Liter mit 100 kW (136 PS) ist Kosmetik für die Preisliste. Angemessen der Zweiliter mit 150 kW (204 PS). Oder der Plug-in-Hybrid mit Systemleistung von 160 kW (218 PS). Dessen Stromspeicher fasst 13 kWh. „Wir kommen über die 50-Kilometer-Hürde“, ist Entwickler Grünitz sicher. Ein TDI mit 110 kW (150 PS) folgt 2022.

Die technischen Daten des VW Multivan T7 haben wir in einer Tabelle zusammengefasst.

Neue technische Helferlein für den Fahrer

Fahrerischen Übermut halten Assistenten in Mannschaftsstärke im Zaum, bis zum teilautomatisierten Fahren. „Das ist kein Facelift, das ist eine völlige Neukonstruktion, das sieht man und das merkt man“, fasst VWN-Chef Carsten Intra zusammen. Eben Bulli mal ganz anders.

Dreisprung von VW

Sieben Jahrzehnte deckte VW vom nüchternen Kastenwagen bis zum feinen Multivan und dem Reisemobil California alle Segmente mit nur einem Fahrzeug ab. Das ändert sich: Der neue Multivan T7 ist komplett eigenständig. Ihn flankiert ab 2022 der vollelektrische ID Buzz in ähnlichem Format. Optisch an den Ur-Transporter T1 angelehnt, basiert er auf dem gleichen Baukasten wie VW ID 3 und ID 4. Der Transporter T6.1, im Jahr 2003 als T5 geboren, lebt länger. Der Nachfolger wird in Zusammenarbeit und unter Federführung von Ford entwickelt und von Ford gebaut. VWN-Chef Intra zur Rollenverteilung: „Der T7 ist ein Premiumprodukt, der T6 ist das Arbeitspferd.“

Was noch kommt

Mit Vorderradantrieb startet der Multivan T7, in Entwicklung ist ein Allradantrieb mit der Besonderheit einer elektrisch angetriebenen Hinterachse. Bei den Motoren wird von einer zweiten Dieselvariante mit 150 kW (204 PS) gemunkelt. Im Zuge des späteren Modellwechsels des Transporter T6.1 wird der Campingbus California auf die Basis des Multivan T7 wechseln. Das Panorama-Glasdach im Format 1,40 auf 1,00 Meter gibt die passende Öffnung für den Durchstieg in ein Aufstelldach vor. Für einen großen Wohnraum wie beim aktuellen Modell nutzt VW als Basis dann die 5,17 Meter große Langvariante.

 

Lesen Sie auch unseren ausführlichen Fahrbericht "VW Multivan/T7 – Zwischen Himmelreich und Hoffnung"