Gürtel oder Hosenträger? Warum nicht beides, sagt der vorsichtige Anzugträger. Der Gürtel ist Schmuck und die Hosenträger geben Halt und Passform. Ähnlich mag der Plug-in-Befürworter ticken. Der konventionelle Verbrennermotor garantiert die Reichweite, mit dem elektrischen Antrieb ist das ökologische Gewissen zu besänftigen. Oder aber: Die Kombination von beiden Kraftwerken geben einem Auto erst den richtigen Bumms! Sprich: Der Elektroantrieb ist als Booster an Bord.
Der Mercedes 300 de ist ein Kraftpaket
Beim Mercedes C 300 de kommt dieser Verdacht schon nach wenigen Testkilometern. Unter der Haube steckt ein Diesel mit zwei Litern Hubraum – der alleine schon mit der Kraft von 194 PS auf die Hinterachse einwirkt. Weitere 122 PS steuert der E-Motor hinzu – das ergibt eine Systemleistung von 306 PS und 700 Nm Zugkraft und viel Fahrspaß für denjenigen, der das Lenkrad dreht. Kleiner Nachsatz: Die Systemleistung liegt tatsächlich nur bei 306 und nicht 316 PS. Das liegt daran, dass der E-Motor seine Maximalleistung nicht bei der genau gleichen Drehzahl erreicht wie der Verbrenner und die einfache Addition hier nicht weiterhilft.
Der reale Verbrauch liegt deutlich über den Werksangaben
Das macht den Benz in erster Linie zum Sportwagen, weniger zu einem Ökomobil. Wenngleich die Anzeige versöhnliches signalisiert: 6,1 Liter Testverbrauch. Nicht schlecht für ein Fahrzeug mit diesem Muskelpaket unter der Motorhaube. Aber: Den Normverbrauch (einschließlich elektrischer Reichweite) gibt Mercedes mit 1,5 Litern an.
Zwei Antriebe unter einer Haube haben einen gravierenden Nachteil: In diesem Fall sind es 260 Kilogramm zusätzliches Gewicht für die elektrischen Bauteile im C 300 de. Doch vom Mehrgewicht bemerkt der Fahrer nichts, die 1,9 Tonnen schwere Limousine ist handlich und wendig zu steuern. Die Neungang-Automatik wechselt ohne zu ruckeln die Übersetzungen. Weil der Elektromotor beim Anfahren sein volles Drehmoment an die Hinterachse schickt, gibt es keine Verzögerung und kein Turboloch.
Mit vier Stufen lässt sich das Konzert zwischen E-Motor und Diesel dirigieren. In der Wählstufe Hybrid überlässt der Mensch der Technik das automatische Zusammenspiel aller Komponenten. Flüsterleise ist der Mercedes im E-Modus unterwegs, eben solange, bis die Akkus nach neuer Energie lechzen. Auch das Aufladen während der Fahrt ist möglich – im „Charge-Modus“, das treibt allerdings den Spritverbrauch hoch. Wer seine elektrische Reichweite sich für die bevorstehende Stadtfahrt reservieren möchte, wählt „Save“.
Das Wechselspiel zwischen Energie speichern und Energie abgeben ist ausgereift
Selten beherrscht ein Hybrid so gekonnt das Wechselspiel zwischen Rekuperation und Boost. Auf Landstraßenfahrt, bei entspannter Fahrweise, gibt der Elektromotor, wo es notwendig ist, Leistung ab. Gleichzeitig speichert der Akku penibel jede zusätzlich erzeugte Energie, wann das Fahrzeug im Schubbetrieb gleitet. Und der Diesel unter der Haube? Der wartet geduldig, bis er gefragt ist und seine vier Zylinder einsetzt. Natürlich unterstützt dabei ein elektronisches Helferlein: Der ECO-Assistent leitet seine Fahrempfehlungen aus dem Streckenverlauf (den er über die Navigation kennt), den Geschwindigkeitsbegrenzungen und dem Abstand zu vorausfahrenden Fahrzeugen ab.
Auf Landstraßen die Akkus laden, in Ortschaften elektrisch rollen
Wer eilig ans Ziel muss, lässt schon mal dem Selbstzünder absoluten Vorrang. Während einer 260 Kilometer langen Überlandfahrt haben wir den Dieselmotor zudem als „Charger“ benutzt, als um die nahezu leeren Akkus wieder aufzuladen. So sind wir – am Ziel in Stuttgart – wieder leise und abgasfrei durch die Wohnstraßen gerollt. Dann zeigt der Bordcomputer einen Verbrauch jenseits der sieben Liter Marke (für 100 Kilometer an). Weit weg vom Normverbrauch (Zur Erinnerung: 1,5 l/100km). Wer diesen Wert erreichen will, muss täglich an die Ladesäule.
Ist dieser Hybrid die Brückentechnologie zur E-Mobilität? Wohl kaum! Zwar gibt der Hersteller eine rein elektrische Reichweite von rund 50 Kilometern an, mehr als knapp 40 haben wir mit unseren Fahrprofilen nicht erreicht. Der Akku speichert 13,5 Kilowattstunden und ist Dank eines Typ 2-Steckers immerhin zügig nachzuladen.
Eine Stufe im Kofferraum schränkt das Gepäckabteil ein
Warum es Mercedes bei der Transformation zu Elektromobilität bei diesem Modell nicht ganz ernst meinen kann, das zeigt der Blick in den Kofferraum. Der Batteriepack steckt in einer rund 15 Zentimeter hohen Stufe, die das nutzbare Volumen des Gepäckabteils deutlich einschränkt. 300 Liter Ladevolumen wird keine Familie mit Urlaubsgepäck überzeugen. Eher schon den Dienstwagenfahrer, der in den Genuss der ½-Prozent-Regel bei der Besteuerung kommt.
Mercedes C 300 de – Technische Daten:
- Limousine, Länge: 4,92 Meter, Breite 1,85 Meter, Höhe 1,47 Meter, Radstand: 2,39 Meter, Leergewicht: 2060 kg, Kofferraumvolumen: 300 Liter.
- Antrieb: 2.0-Liter-Vierzylinder-Dieselmotor 143 kW/194 PS, Nennleistung E-Motor: 90 kW, Neungang-Automatik, maximales Drehmoment 400 Nm bei 1600 – 2800 U/min, Vmax: 250 km/h, 0–100 km/h: 5,6 s, Normverbrauch nach WLTP: 1,6 Liter Dieselkraftstoff, CO2-Ausstoß: 38-42 g/km, Abgasnorm: 6d-TEMP
- Preis: ab 49.105 Euro