Wie groß die Sehnsucht nach Sonne, nach Strand, nach gesundem Teint und Auszeit ist, lässt sich ausgerechnet an einer Unglückszahl ablesen. Kurz nachdem die weltweite Reisewarnung Mitte Juni 2020 aufgehoben worden war, kam eine Meldung eines Marktforschungsunternehmens in Umlauf: Im ersten Halbjahr hätten die Deutschen gemessen am Vorjahreszeitraum 13 Prozent mehr Selbstbräuner in den Einkaufswagen gelegt. Der Absatz von Sonnenschutzmittel und Après-Sun-Produkten dagegen brach ein.
Das Corona-Virus legte den gesamten Reiseverkehr lahm
Dieses Konsumverhalten zeigt beispielhaft das Erdbeben an, das die Reisebranche 2020 erschüttert hat. Im März war das neuartige Corona-Virus einmal um den Globus gereist. Fast alle Länder schlossen ihre Grenzen, der Flugverkehr kam zum Erliegen, ebenso die Kreuzfahrtbranche. Eine nie gekannte Ruhe kehrte ein, Bilder vom menschenleeren Markusplatz in Venedig gingen viral, bevor sich im Sommer eine neue, kleine Reisewelle ihren Weg bahnte und zum Winter angesichts der erneut aufflammenden Pandemie und neuer Reisewarnungen jäh wieder abflaute.
Doch wie wird 2021? Welche Trends zeichnen sich ab? Können wir wieder normal reisen, sobald nur genügend Menschen gegen Covid-19 geimpft sind?
Nicht alle geplatzten Reiseträume können 2021 schon nachgeholt werden
Norbert Fiebig gibt sich Mühe, der größten Krise im Tourismus Positives abzugewinnen. Der Präsident des Deutschen Reiseverband DRV sagte im Dezember, durch die Pandemie sei die Wertschätzung für das Reisen gestiegen: „Wir stellen fest, wie schmerzhaft es ist, wenn wir nicht mehr an unsere Sehnsuchtsorte kommen.“ Für 2021 erwarte er deshalb einen „Nachholeffekt“. So könnten die Umsätze immerhin wieder auf 50 bis 60 Prozent des Rekordjahres 2019 steigen. Anders ausgedrückt: Auch dieses Jahr wird längst kein normales Reisejahr.
Fernreiseziele: Wohl auch noch 2022 in weiter Ferne
„Urlaub im Frühling, wie früher am Gardasee oder Lago Maggiore – das ist heute nicht erkennbar“, sagt Herbert Müller, Leiter des ACE-Reisebüros, das im Buchungsgeschäft 2020 Umsatzeinbrüche um rund 70 Prozent verkraften musste. Müller rechnet damit, dass sich der Buchungsstart für den Sommerurlaub in das späte Frühjahr verschieben wird. „Erst Urlaub im Herbst wird wieder an frühere Zeiten erinnern.“ Wohlgemerkt: erinnern. Mit einer Erholung bei den Fernreisezielen rechnet er nicht vor 2023.
Der Flugverkehr kann nicht schnell mal wieder hochgefahren werden
Grund für solche Prognosen ist zum einen, dass die Fluggesellschaften nach wie vor nur wenige Interkontinentalverbindungen anbieten und das Hochfahren der Netze samt Zubringerflügen logistisch komplex und zeitaufwendig ist. Doch an der Nachfrage dürfte es nicht scheitern, wie der zwischenzeitliche Buchungs-Boom bei der Lufthansa für Flüge über die Weihnachtszeit nach Südafrika oder Namibia zeigte. Andererseits gibt es ein neues Sicherheitsbedürfnis, und das hat Einfluss auf die Auswahl des Ziels und des Verkehrsmittels.
Viele Urlauber bevorzugen per Auto erreichbare Ziele
Viele Urlauber werden erdgebunden verreisen, also statt Flugzeug oder Schiff lieber ins Auto steigen, als das Risiko einzugehen, unter Quarantäne irgendwo auf der Welt in einem Hotelzimmer oder auf einem Kreuzfahrtschiff festzusitzen. „Man fährt dorthin, von wo man schnell ganz selbstständig auch innerhalb von 24 Stunden wieder nach Hause kommen kann“, sagte Christian Laesser, Touristikprofessor an der Schweizer Universität St. Gallen Ende vergangenen Jahres dem Redaktionsnetzwerk Deutschland (RND).
Die Vorjahrestrends bleiben auch 2021: Camping, Reisemobile, Wandern
Laesser rechnet nicht damit, dass sich Reiseverhalten und -angebot schnell normalisieren werden. 2021 werde ein „Übergangsjahr“ mit weiterhin wechselnden Quarantänebestimmungen in den Reiseländern. Und doch bricht sich die Lust am Reisen Bahnen. Corona wird auch 2021 Trends verstärken, die schon vor der Seuche aufkamen: Camping boomt bereits seit Längerem, Wandern ist zwar bodenständig, aber nicht mehr altbacken, sondern hip. Wohnmobile, die sich jetzt als vorteilhaft für kontaktloses Reisen und Schlafen erweisen, verzeichnen weiterhin steigende Buchungs- und Verkaufszahlen.
Unterwegs auf zwei und vier Rädern
„Wohnmobile werden stark kommen, alles, wo man in kleinen Einheiten unterwegs sind“, sagt Reisebüroleiter Müller. Autoreisen, aber auch Erholungsreisen mit Abholung an der Haustür zählten schon im ersten Corona-Sommer zu den Reiseformen, die Zuwächse verbuchten. 2021 dürfte die Nachfrage nicht abbrechen. „Daher werden wir das ACE-Angebot weiter in diese Richtung ausbauen. Dazu gehören auch Radreisen in Deutschland, Österreich, Italien und Niederlande“, sagt Müller. Wer Urlaub am Meer bevorzuge, werde verstärkt nach Kroatien oder Italien fahren. Früheren Autozielen wie der spanischen Mittelmeerküste oder Griechenland, die normalerweise längst mit dem Flugzeug angesteuert werden, sagt Müller eine Renaissance voraus.
Inseln könnten sich zu besonders attraktiven Reisezielen entwickeln
Doch sicher ist nichts. "Der Sommer ist auf keinen Fall schon carefree“, sagt Jürgen Drensek vom Reiseradio-Podcast „Was mit Reisen“ und Ehrenvorsitzender der Vereinigung Deutscher Reisejournalisten (VDRJ). Ob der Mittelmeerraum wieder an Attraktivität gewinne, hänge von der gesundheitlichen Entwicklung in den Zielgebieten ab. Drensek schätzt, dass auch Inseln als Flugreiseziele gut nachgefragt werden könnten: die Balearen, Madeira, Zypern und Kreta sowie die Kanaren als eine der wenigen Destinationen, für die im Herbst eine Reisewarnung aufgehoben wurde.
Hotels punkten mit ausgefeilten Hygienekonzepten
Derweil kämpfen Beherbergungsbetriebe, egal wo, um ihr Überleben. "Ich rechne damit, dass viele Hotels aufgrund von Insolvenz zumachen“, sagt Müller. Elaborierte Hygienekonzepte sollen solche Schicksale abwenden, Aufenthalte möglichst risikofrei machen und Gästen manche Sorge nehmen – zum Beispiel am Büffet mit Masken, Handschuhen und Abstand. Unternehmen starten Kampagnen mit Namen wie Safe Travels oder Safer than Home. Unter diesem Label hat in Neukölln ein epidemieresistentes Hotel eröffnet, das man durch eine Desinfektionsschleuse betritt. Die Luft wird mit Schwebstofffiltern gegen Viren gereinigt, die Körpertemperatur mittels Thermoscreen gemessen.
Urlaub mit Abstand im Ferienhaus und auf dem Hausboot
Maßnahmen, die sich vielleicht noch Geschäftsreisende schönreden können, nicht aber erholungssuchende Urlauber, denen der Sinn nach einer entspannt baumelnden Seele steht. So dürften auch Ferienhäuser zu den "kleinen Einheiten“ zählen, die in der Buchungsbeliebtheit weiter Konjunktur haben. Dort trifft man auf keine Fremden, vor denen man sich schützen müsste. Und anstelle einer Kreuzfahrt in der Karibik bucht man vielleicht lieber ein Hausboot in Brandenburg. Vieles, was man an Trends derzeit vermute, falle aber unter "reine Kaffeesatzleserei“, sagt Jürgen Drensek.
Pauschalreisen sind besonders gefragt
Umso bemühter ist die Branche, die Reisesehnsucht auch unter den widrigen Umständen möglichst pauschal zu stillen, um Ordnung in die Lage zu bringen. Stichwort Pauschalreisen. Schon 2020, als die Branche kurz nach Luft schnappte, waren insbesondere Flugpauschalreisen nach Portugal, Bulgarien, Kroatien und vor allem Griechenland gefragt – wenn auch längst nicht auf Vor-Corona-Niveau. Laut DRV waren unter den Vorausbuchungen für den kommenden Sommer, die bis Ende November eingingen, besonders Flugpauschalreisen in Richtung westliches Mittelmeer.
Deutsche Reiseveranstalter bieten umfassende Sicherheit
Herbert Müller vom ACE-Reisebüro sieht in der Pauschalreise gerade zu Zeiten der Pandemie Vorzüge: "Wer eine Pauschalreise bei einem deutschen Reiseveranstalter bucht, wird im Falle einer kurzfristigen Reisewarnung auf Kosten der Reiseveranstalter aus dem Zielgebiet zurückgeholt." Nicht in Anspruch genommene Leistungen würden erstattet. Hat man pauschal gebucht, und kommt es zur Reisewarnungen vor Antritt der Reise, könnten Kunden umbuchen oder kostenlos von der Reise zurücktreten, betont Müller. Der Reiseveranstalter sei verpflichtet, Gelder innerhalb von 14 Tagen zurück zu überweisen.
Die Schlüssel zum Reiseglück: Schnelltests und Impfung
Um bei der Rückreise möglichst auch Quarantänepflichten zu umgehen, seien verschiedene Reiseveranstalter dazu übergegangen, fakultative Covid-Tests anzubieten, zum Beispiel die TUI. Andere machen negative Testergebnisse zur Voraussetzung und hätten sie, wie TUI Cruises oder AIDA, im Preis inkludiert. "Damit wird gewährleistet, dass nur gesunde Urlauber anreisen.“ Allerdings bildet man als Kreuzfahrt-Community dann auch eine soziale Blase, Landausflüge finden nur in der Gruppe mit Abstand zu den Einheimischen statt.
In Zukunft würden immer mehr Fluggesellschaften vor Abflug Schnelltests einführen oder – wie als erste die australische Qantas – einen Impfnachweis verlangen. "Damit kommt die Impfpflicht für Urlauber durch die Hintertür.“ Überhaupt, der Impfstoff. Touristikprofessor Laesser sieht darin einen "möglichen Game-Changer“ – wenn weite Bevölkerungsteile wirksam geimpft werden können. Effekte für die Branche erwartet er aber kaum noch für dieses Jahr.
Warum in die Ferne schweifen?
Reiseexperte Drensek macht „Selfness“ als über allem schwebenden Haupttrend aus, der sich vor allem auf die erdgebundenen Ziele in Deutschland beziehe – "also bewusstes Reisen in die Natur, Genuss, Freiheit, sich selbst spüren.“ Bei allen Widrigkeiten – so schlechte Aussichten sind das gar nicht.
Stornobedingungen und Versicherungsschutz
Zu Corona-Zeiten sollten Reisende genau prüfen, in welchem Rahmen Reiserücktritts-, Reiseabbruch- und Auslandsreise-Krankenversicherung ihnen genügend Schutz bieten – dann die Bedingungen der Anbieter sind sehr unterschiedlich. Ist der Pandemie-Fall abgesichert, und wenn ja, wie? Gilt der Schutz während der Reise auch, wenn zum Zeitpunkt der Einreise bereits eine Reisewarnung aufgrund von Covid-19 bestand? Wenn man vor der Abreise an Covid-19 erkrankt, kann eine Ergänzungsversicherung Covid-19 für abgeschlossene Reiserücktrittskosten-Versicherungen sinnvoll sein. Auch das ACE-Reisebüro berät auch in solchen Fragen.