23.11.2022

Automobile Zukunft, Teil I: Mit Lidar zum autonomen Fahren

Um in der Zeit ein wenig nach vorne zu schauen, braucht es keine Glaskugel. Vielmehr reicht ein genauer Blick auf spannende Entwicklungen, die schon Anwendung finden oder kurz davor stehen. Ein Beispiel hierfür ist die Lidar-Technologie.

Lidar – Light detection and ranging – ist inzwischen im Bereich der Verkehrssicherheit unerlässlich. Der Fokus liegt auf der Erkennung von Hindernissen und dem Messen von Entfernungen. Lidar wird auch gerade deshalb als Schlüsseltechnologie für autonomes Fahren gesehen.

Bereits jetzt ist Lidar in manchen Assistenzsystemen wie Notbremsassistent oder Totwinkel-Erkennung zu finden, vor allem im Lkw-Sektor, aber auch im Pkw-Bereich. Nicht selten unterstützt von Kameras und Radar.

So funktioniert Lidar

Dabei funktioniert Lidar ähnlich wie ein Radar: Es tastet dreidimensional die Umgebung ab. Allerdings sendet es nicht Funkwellen wie ein Radar, sondern arbeitet mit einem Laserscanning: Wie kleine Geschosse treffen Lichtwellen in kürzesten Intervallen auf ein Hindernis und werden reflektiert.

Auch Apple oder Samsung setzen gezielt Lidar-Technologie ein. Hier etwa, um bei Foto und Film mehr Tiefenschärfe zu erzielen.

Neu ist die Technologie eigentlich nicht. In den 60ern entwickelt von der NASA, wurde sie erst zum Kartografieren der Erde aus der Vogelperspektive eingesetzt. Dann, viel später, vom Automobilbau entdeckt.

Die Bedeutung von Lidar für das autonome Fahren

Entwickler und Zulieferer wie Velodyne Lidar, ZF, Bosch oder Jenoptik investieren und entwickeln intensiv in diesem Bereich. Jenoptik spricht von hunderttausenden Abstandsmessungen, die in einer Sekunde möglich sind.

Rasend schnell können so Objekte erkannt und Entfernungen zu ihnen gemessen werden. Unabhängig davon, ob es sich um statische oder sich bewegende Objekte, um Fahrzeuge, Menschen oder Tiere handelt.

Das ist essenziell, damit Sicherheitsassistenen oder im Falle des autonomen Fahrens das gesamte Fahrzeug rechtzeitig auf Gefahrensituationen reagieren und Unfälle vermeiden kann.

Erste Schritte in der Lasertechnologie

Die Lasertechnologie feierte ihren wohl ersten großen Auftritt in der automobilen Öffentlichkeit rund um das Jahr 2018. Damals schon wurde ihr eine große Zukunft im Bereich des autonomen Fahrens prognostiziert. Allerdings waren die Systeme noch nicht so leistungsfähig wie heute und auch das Zusammenspiel mit den für das autonome Fahren notwendigen Assistenzsystemen hatte noch nicht die Ausprägung wie heute.

Forschungsprojekte zeigen Einsatzmöglichkeiten im Stadtverkehr

Das Forschungsprojekt @City, das 2018 aufgelegt und durch das damalige Bundesministerium für Wirtschaft und Klimaschutz unterstützt wurde, erforschte Lidar im urbanen Raum. Es zeigte mit einem Audi A4 als Versuchsträger, dass das Lidar-gestützte System Fußgänger erkennt, deren Bewegungsrichtungen erfasst und ihre Position prognostiziert, an der sie vier Sekunden später sein werden. Für den realen Verkehr mit vielen Verkehrsparametern und Störfaktoren reichte das System aber noch nicht aus.

Reichweiten bis zu 1.000 Metern sollen möglich sein

Inzwischen, knapp fünf Jahre später, ist die Entwicklung weiter und auch dem autonomen Fahren einen Schritt näher – jedenfalls was die technologischen Möglichkeiten betrifft. So gibt es inzwischen neue Lidar-Chip-Generationen, die noch effizienter arbeiten, noch mehr Tiefenschärfe und auch Reichweite ermöglichen. War Lidar bisher in der Lage, etwa 200 bis 250 Meter vorauszuschauen, hat das US-amerikanische Start-up AEye nach eigenen Angaben ein neues Level erreicht: Ein neuer Sensor soll in bis zu 1.000 Metern Entfernung Objekte identifizieren können.

Neue Lidar-Ansätze: FCMW

Aber auch in den Entwicklungsabteilungen der großen Konzerne sind Forscher und Spezialisten einen Schritt weiter. So verfolgt auch Zulieferer ZF (Zahnradfabrik Friedrichshafen) neue Ansätze beim Lidar. „Darunter die Frequenzmodulation, kurz FMCW“, sagt Martin Ehrenfeuchter, Pressesprecher der ZF Group auf Anfrage dem ACE und erklärt: „Diese Technologie setzt im Vergleich zur Time-of-Flight-Technik (kurz „TOF“, sendet Lichtimpulse aus, wie eingangs der Geschichte beschrieben – Anmerkung der Redaktion) auf einen kontinuierlichen Laserstrahl, dessen ausgesendete Wellenlänge variiert.“

Vorteile der FMCW-Technologie

Im Vergleich zur TOF-Technologie ist die FMCW-Technik sonnenunempfindlich, in Summe weniger störanfällig und viel präziser als die ersten Lidar-Generationen. Der ZF-Mann präzisiert: „Sie ermöglicht eine direkte Geschwindigkeitsmessung, wie es heute bei gängigen Radarsensoren bereits der Fall ist – nur mit vielfach höherer Winkelauflösung und Objekttrennfähigkeit.“ Diese neue Lidar-Generation kann also noch besser Details und Objekte in der Umgebung erkennen.

Noch nicht serienreif, aber unverzichtbar für autonomes Fahren

Trotz der technologischen Fortschritte und aktuellen Entwicklungen hat die FMCW-Technik noch nicht ihren Weg in die Serie gefunden. Dabei ist automatisiertes und autonomes Fahren mit Lidar aus Sicht der ZF ein Muss. Martin Ehrenfeuchter weiß: „Die Lidar-Technologie nimmt eine wichtige Rolle zur Sicherstellung der Redundanz und Fehlersicherheit beim autonomen Fahren ein und ist daher unverzichtbar.“

Smart Headlight – Lidar im Scheinwerfer 

An autonomen Versuchsfahrzeugen, wie dem Google Car, wurde Lidar für ein besseres „Sehen“ bisher meist auf dem Dach montiert. Das Fraunhofer-Institut für Hochfrequenzphysik und Radartechnik hat unter dem Projektnamen „Smart Headlight“ einen neuen, alltagstauglichen Ansatz entwickelt und Lidar platzsparend und relativ unauffällig in Pkw-Frontscheinwerfer integriert. Zusammen mit Radarsensoren und LED-Modulen.

So soll verhindert werden, dass sich die Systeme gegenseitig behindern und gebündelt besser agieren. Sie sollen dann im Zusammenspiel Assistenzsystemen wie etwa Bremsassistenten und Abstandsregler Objekte und vor allem andere Verkehrsteilnehmer wie Fußgänger noch besser erkennen können.

Blick in die Zukunft: 4D-Radar

Ob sich Lidar letztendlich durchsetzt, liegt aber auch am Wettbewerb. In China wird auf eine neue 4D-Radar-Technologie gesetzt, die Lidar ersetzen könnte.

Auch in diesen Artikel blicken wir in die "Automobile Zukunft":