Angenommen, es gäbe einen Kraftstoff, der sich schnell wie Diesel oder Benzin tanken lässt, lokal aber keine schädlichen Emissionen ausstößt: Wäre das dann die Rettung unserer gewohnten Mobilität? Würden Autofahrer dann reihenweise umsteigen?
Die Fragen lassen sich nicht so einfach beantworten, aber den wundervollen Treibstoff gibt es. Zumindest behaupten das ganz unterschiedliche Firmen: Auf der einen Seite Fahrzeughersteller wie Daimler. Auf der anderen Seite auch traditionelle Öl-Multis wie Shell und Total. In Deutschland haben sie sich zu einem Konsortium zusammengeschlossen. Ihr Ziel: Wasserstoff als emissionsfreien Treibstoff voranbringen. Ihr erster Meilenstein: Bis 2023 wollen sie insgesamt 400 Tankstellen bauen. Damit soll eine Basisversorgung sichergestellt und das Henne-Ei-Problem gelöst werden. Bisher gibt es nämlich deutschlandweit erst 43 Wasserstoff-Tankstellen. Und Wasserstoff-Fahrzeuge gar nur in homöopathischen Dosen: Das Kraftfahrtbundesamt zählt sie erst gar nicht, etwas über 300 Fahrzeuge sollen es bisher sein.
Wann Wasserstoff wirklich sauber ist
Doch von vorne: Was ist Wasserstoff und warum könnte er die Mobilität revolutionieren? Wasserstoff ist ein farb- und geruchsloses Gas und gleichzeitig das häufigste Element im Universum. Außerdem lässt sich aus ihm saubere Energie gewinnen, denn bei der Reaktion von Wasserstoff mit Sauerstoff bleiben außer elektrischem Strom nur Wärme und Wasser übrig – und das ist so sauber, dass sich damit sogar ein Kaffee kochen ließe. Alles gut also? Nein, denn Wasserstoff kommt auf der Erde so gut wie nie in seiner Reinform vor. Im Gegensatz zu Rohöl oder Kohle kann reiner Wasserstoff also nirgendwo gefördert oder abgebaut werden. Stattdessen muss er immer aufwendig erzeugt werden. Die physikalisch-chemischen Grundlagen dafür wurden schon Anfang des 19. Jahrhunderts entdeckt. Heute wird Wasserstoff fast immer aus Erdgas gewonnen: ein ziemlich kompliziertes technisches Verfahren, die sogenannte Dampfreformierung.
Dabei kommt zwar sauberer Wasserstoff heraus. Bei der Produktion fällt aber ziemlich viel CO2 an; also genau das Gas, das heute als Klimakiller verschrien ist und dessen Ausstoß durch alternative Kraftstoffe eigentlich vermieden werden soll.
Doch auch dafür scheint eine Lösung in Sicht: Denn Wasserstoff lässt sich auch anders gewinnen: durch eine Elektrolyse. Sie spaltet Wasser in Wasserstoff und Sauerstoff auf. Der dafür benötigte Strom kann auch aus erneuerbaren Energien stammen. Und weil Wasserstoff sich relativ einfach transportieren lässt, könnte er beispielsweise direkt an Offshore-Windanlagen produziert und per Pipeline zum Festland transportiert werden. Damit wären viele Länder nicht mehr von Erdöl-Importen abhängig. Gleichzeitig könnten auch Überkapazitäten aus Wind- und Solarparks abgepuffert beziehungsweise gespeichert werden, zum Beispiel an sonnigen, windigen Sommertagen. So sehen es zumindest die Wasserstoff-Fürsprecher. Noch wirken diese Gedankenspiele allerdings ähnlich weit weg vom Hier und Heute wie CO2-neutrale Wasserstoff-Produktionsanlagen in der Wüste.
Brennstoffzellen-Technik noch teuer
Zurück in den Alltag: Was kostet ein Wasserstoff-Fahrzeug? Zu kaufen gibt es in Deutschland bisher nur zwei: den Toyota Mirai sowie den Hyundai ix35. Listenpreis für den Toyota: knapp 80.000 Euro. Nur zum Vergleich: So viel kostet beispielsweise auch ein Porsche Cayenne. Doch am Preis lässt sich was machen: Wer das Fahrzeug least, kann auf ein Förderprogramm der Bundesregierung zurückgreifen. Dadurch sinkt der Preis auf unter 50.000 Euro. Für das Full-Service-Leasing verlangt Toyota dann noch 585 Euro. Hyundai, der zweite Hersteller mit einem frei käuflichen Wasserstoff-Auto in Deutschland, verlangt heute für seinen Brennstoffzellen-SUV knapp 65.000 Euro, rechnet allerdings damit, dass Wasserstoff-Autos in Zukunft nur noch die Hälfte kosten werden.
Und die deutschen Hersteller? Zwar gab es bereits erste Versuche – zum Beispiel den BMW Hydrogen 7, einen umgerüsteten 7er-BMW. Den gab es aber nur für ausgewählte Persönlichkeiten. Auch VW hat in der Vergangenheit schon mehrfach Wasserstoff-Fahrzeuge vorgestellt, die Entwicklung nun aber an die Edeltochter Audi abgegeben. Dort spricht man von der fünften Generation der Brennstoffzellentechnologie. Doch über das Prototypen-Stadium sind die Ingolstädter bisher nicht hinaus.
Lediglich bei Daimler zeichnet sich die Serienfertigung ab: 2018 soll es den GLC mit Brennstoffzelle, 13,8-kWh-Akku und Plug-in-Technologie zu kaufen geben. Den eigenen Plänen hinkt Daimler damit knapp vier Jahre hinterher, denn eigentlich sollte bereits 2014 die Serienfertigung der B-Klasse mit Wasserstoff-Antrieb beginnen.
Bleiben zwei Fragen: Rentiert sich das und wie sicher ist so ein Wasserstoff-Auto? Ein Kilo Wasserstoff kostet heute 9,50 Euro. Damit kommt ein Pkw ungefähr 100 Kilometer weit. Im Vergleich zum Diesel-Fahrzeug ist der Kilometer also etwa doppelt so teuer, dazu kommt der höhere Anschaffungspreis. Dafür entfällt die Steuer – Wasserstoffautos sind als Elektroautos eingestuft, genießen in einigen Städten schon heute Privilegien und sind zunächst von der Steuer befreit. Außerdem müssen sich Besitzer keine Gedanken um Fahrverbote machen.
Der Stoff mit dem Potenzial zum Klimaretter
Zum Thema Sicherheit: Alle Hersteller geben sich große Mühe, Sicherheitsbedenken auszuräumen. Toyota unterzieht seine Tanks sogar einem Beschuss-Test (bei Youtube hier zu finden). Das Video soll die Argumentation vieler Experten unterstreichen: grundsätzlich handele es sich um hochfeste High-Tech-Tanks, die einen Verkehrsunfall problemlos überstehen. Werden die Tanks doch einmal beschädigt, kommt es eher zu einem Abbrennen als zu einer Explosion. Das wird sich in der Praxis zeigen, die heute üblichen Crashtests waren allerdings für die Brennstoffzellen-Fahrzeuge bisher keine Hürde.
Fazit: Im Wasserstoff steckt ein riesiges Potenzial. Er könnte wirklich der Treibstoff der Zukunft werden. Aber noch hakt es an einigen Stellen: Bisher fehlen bezahlbare Wasserstoff-Fahrzeuge und -Tankstellen. Zumindest bei Letzteren ist eine Lösung in Sicht. Und nur wenn der Kraftstoff aus (überschüssigen und) regenerativen Energien erzeugt wird, könnte Wasserstoff wirklich zum Klimaretter werden.