21.07.2017

Autounfall - Der elektronische Zeuge

In einem aktuellen Fall hat das Oberlandesgericht Stuttgart die Aufnahmen einer Dashcam als Beweismittel akzeptiert. Der Kläger konnte so seine Mitschuld an einem Verkehrsunfall erheblich reduzieren.

Wer im Auto alleine unterwegs ist, hat jetzt die Möglichkeit, einen elektronischen Zeugen mitzunehmen. Im Trend liegen sogenannte Dashcams, kleine Videokameras, die hinter der Windschutzscheibe platziert werden und laufend den Verkehr filmen. Im Ernstfall können sie den Autofahrer nach einem Unfall oder angeblichem Verkehrsverstoß entlasten. Bisher waren sie im Beweisverfahren vor Gericht nicht zulässig, nun sind sie salonfähiger geworden. „Bei schwieriger Beweislage können solche Aufnahmen sowohl im Straf- oder Zivilverfahren zugelassen werden“, sagt Marc Herzog, Vertrauensanwalt des ACE aus Rosenheim. Aktuell hat das Oberlandesgericht Stuttgart eine Dashcam in einem Schadenersatzprozess akzeptiert (OLG Stuttgart, Az.: 10 U 41/17). Schon in der Vergangenheit waren Dashcams bei schwerwiegenden Ordnungswidrigkeiten als Hilfe anerkannt worden (OLG Stuttgart, Az.: 4 Ss 543/15).

Nach Einschätzung der deutschen Autoversicherer würden durch Dashcams bei vielen Unfällen schneller und einfacher festgestellt, wer wie viel Schuld am Unfall trägt. Die Schadenregulierung würde nicht nur schneller, sondern auch günstiger. „Dashcams liefern objektive und leicht auszuwertende Informationen und könnten diverse unfall-analytische Gutachten überflüssig machen“, heißt es beim Gesamtverband der Deutschen Versicherungswirtschaft (GDV).

Datenschutzrechtliche Bedenken beim Einsatz von Dashcams

Der Verband verweist aber darauf, dass bislang die Verwertung von Dashcam-Aufnahmen in Deutschland nicht eindeutig rechtlich geregelt ist. Die Kameras sind zwar nicht verboten, doch wer während der Fahrt Personen und Kennzeichen durchgehend aufzeichnet, verstößt gegen den Datenschutz. „Wer so eine Kamera auch nur kurz einschaltet, muss wegen unbefugter Erhebung und Speicherung von Daten mit einem Bußgeld rechnen“, bestätigt ACE-Verkehrs- und Versicherungs-Jurist Herzog. In der Praxis dürfte das aber sehr selten der Fall sein. „Bei normalen Kontrollen hat die Polizei im Fahrzeuginneren eigentlich nichts verloren“, stellt Rechtsanwalt Herzog klar. Die Beschlagnahme eines solchen Gerätes müsste schon über einen Durchsuchungsbeschluss erfolgen. „Das halte ich für unverhältnismäßig“, so Herzog. Auch die Bußgeldbehörde habe einen Ermessenspielraum. Vor allem, wenn Geräte genutzt werden, die regelmäßig alte Aufnahmen überschreiben und somit nur die letzten Minuten dokumentieren. Solche Verfahren würden wohl meist eingestellt, schätzt der Experte.

Autofahrer könnte sich durch Dashcam selbst belasten

Bevor ein Autofahrer seinen Dashcam-Film aber einem Gericht zur Verfügung stellt, ist es besser, dass ein Anwalt das Material sichtet. Denn der Autofahrer könnte sich unter Umständen selbst belasten. Herzog: „Das ist die Kehrseite der Medaille“. Eigene Verstöße, also ein mögliches Mitverschulden, würden natürlich ebenfalls aufgedeckt. Im aktuellen Fall konnte der Kläger durch den Dashcam-Beweis seine Mitschuld von 75 Prozent auf 33 Prozent reduzieren. Zwar hatte er auf seiner Seite geparkte Autos überholt, doch die Unfallgegnerin war mitten auf der Straße gefahren und hatte so gegen das Rechtsfahrverbot verstoßen. Erst im letzte Moment versuchte die Autofahrerin nach rechts auszuweichen. Doch da war es schon zu spät. Die Autoversicherer fordern nun, dass der Gesetzgeber für den Einsatz von Dashcams einen verbindlichen datenschutzrechtlichen Rahmen schafft. Mehr Verkehrssicherheit werden Dashcams übrigens wahrscheinlich nicht bringen. So hat die Unfallforschung der Versicherer festgestellt, dass Fahrer nach dem Einbau einer Dashcam ihr Verhalten höchstens für kurze Zeit ändern.