25.01.2022

Die Schattenseiten des Online-Handels – sicher zugestellt?

Die Corona-Pandemie beflügelt den Online-Handel und bringt den Unternehmen Millionengewinne. Doch davon kommt bei den Paketzustellern nicht viel an. Ihre Arbeitsbedingungen sind zum Teil dramatisch – mit Auswirkungen auf die Verkehrssicherheit.

2021 gab es mehr als genug Gründe, den Einkauf kontaktlos und bequem im Inernet zu tätigen. Dazu kam das jährliche Weihnachtsgeschäft  – ebenfalls vornehmlich online.

Die Folge: rund 22 Millionen Pakete pro Tag. Zu spüren bekamen das vor allem die Paketzustellerinnen und Paketzusteller, denn deren Zahl erhöhte sich zum Jahresende kaum. Damit spitzte sich ihre ohnehin schon schlechte Situation deutlich zu.

Oft keine Tarifverträge

Bei den Transportkonzernen FedEx, UPS und DHL gilt für die meisten Zusteller ein Tarifvertrag. Zusätzlich schützt ein Betriebsrat vor Ausbeutung. Bei Hermes, DPD, GLS und Amazon hingegen sind die Zusteller nicht direkt angestellt, sondern bei Subunternehmen. Die haben ihren Sitz in anderen EU-Staaten und richten sich damit nicht immer nach dem Lohn- und Sozialrecht, das in Deutschland gilt.

Unternehmen mit Sitz außerhalb der EU und profitieren von weniger strengen Gesetzen

Nach Recherchen der Gewerkschaft ver.di fehlen beispielsweise bei Amazon-Lagern Sanitärräume oder gar Schlafmöglichkeiten. Generell fehlt häufig der Schutz von Tarifverträgen, die Einkommen sind, wenn überhaupt, auf dem Niveau des Mindestlohns und die  Arbeitsbedingungen schlechter als bei den tarifgebundenen Unternehmen. Eine Überwachung, zum Beispiel der Höchstarbeitszeit, findet hier nicht statt.

16-Stunden-Tag

Eine weitere Praxis ist die scheinselbstständige Anstellung. Bei diesem Modell winkt den Zustellern zwar ein hoher Stundenlohn, allerdings auch Arbeitstage mit bis zu 16 Stunden. Bei einer direkten Anstellung wäre das schlicht illegal. Das ist nicht nur dramatisch für die Zusteller. Hier wird zusätzlich die Verkehrssicherheit gefährdet.

Nach zehn Stunden Paketschlepperei ist jeder Körper erschöpft, kaum Konzentration mehr vorhanden und die Reaktionsfähigkeit stark reduziert. So sollte niemand mehr fahren, egal ob Pkw oder Lkw.

Gesetzliche Regelungen führen zu Verbesserungen, reichen aber nicht

2018 trat das Gesetz zur Nachunternehmerhaftung in Kraft, das deutsche Unternehmen verpflichtet, bei Subunternehmen, die keine Sozialversicherungsbeiträge zahlen, diese zu übernehmen. Das hat dazu geführt, dass erste Unternehmen angefangen haben, Zusteller direkt anzustellen. Andere Anbieter wie Amazon wehren sich nach Angaben von ver.di noch immer dagegen. Für die Zusteller muss sich die Lage verbessern.

Der ACE und ver.di fordern:

  • Eigenbeschäftigung der Zusteller direkt bei den Dienstleistern
  • Kennzeichnung von schweren Paketen
  • Stärkung der Tarifbindung
  • Überwachung der Einhaltung der Arbeitsschutzgesetze
  • Einhaltung des Mindestlohns
  • Begrenzung der Gewichte für einzelne Pakete auf 20 kg

Vertiefende Informationen zum Thema finden Sie bei ver.di.

10 Falschparkende in 2 Stunden

Was hat das hohe Arbeitspensum für Auswirkungen in der Innenstadt? Wir wollten es wissen. Zwei Stunden lang gingen wir mit offenen Augen durch Stuttgart. Das Ergebnis: Von zwölf beobachteten Pakettransportern waren nur zwei ordnungsgemäß geparkt.

Das Halten in Verbotszonen gefährdet andere Verkehrsteilnehmende

Häufigstes Vergehen: Parken in zweiter Reihe. Dabei verengten sie nicht nur die Fahrbahn, sondern blockierten sie zum Teil komplett. Beliebt waren zudem freie Flächen im Halteverbot, vor Einfahrten oder auf Behindertenparkplätzen. Ein Vorwurf ist den Fahrern kaum zu machen, war doch kein freier Parkplatz in Sicht.

Dennoch gefährdet jedes falsch geparkte Fahrzeug die Verkehrssicherheit – und sei es nur für wenige Minuten. Hier müssen regulierende Maßnahmen ergriffen werden.

Neue Regelung macht Radwege sicherer

Ein Anfang ist die Neuerung in der StVO, dass Lieferfahrzeuge auf  Radwegen nicht mehr halten dürfen und nun direkt auf der Straße stehen müssen. Das sorgt zwar für mehr Stau, aber auch mehr Sicherheit. Zusätzliche Maßnahmen müssen umgesetzt werden.

Der ACE fordert:

  • Mehr Parkzonen für Lieferdienste
  • Ausreichend Flächen für Mikrodepots, Paketstationen und Ladezonen
  • Bündelung des Lieferverkehrs am Stadtrand

Transporter in schlechtem Zustand

Zu müden Fahrenden, die falsch parken, kommen Fahrzeuge, die ebenfalls oft in schlechtem Zustand sind. Laut TÜV-Report 2021 hat sich die Sicherheit der Nutzfahrzeuge verschlechtert. 84 Prozent dieser Klasse sind Kleintransporter und laut Kraftfahrt-Bundesamt ist deren Zahl in den letzten zehn Jahren um etwa eine Million gestiegen – unter anderem aufgrund des Online-Handels.

Hohe Durchfallquote bei der Hauptuntersuchung

Fast 20 Prozent der geprüften Nutzfahrzeuge sind bei der Hauptuntersuchung mit erheblichen oder gefährlichen Mängeln durchgefallen, darunter defekte Rückleuchten oder Ölverluste am Motor oder Antrieb. Diese können bei Unfällen brandbeschleunigend wirken.

Wenn mehr als Reifen und Bremsen kaputt sind, ist direkt bei der HU Schluss für die Transporter

Etwa 10.000 Fahrzeuge mussten direkt in die Werkstatt gebracht werden, weil sie zerschlissene Bremsscheiben, undichte Bremsschläuche oder stark abgefahrene Reifen hatten. Zusätzlich wurden 1.300 Transporter als verkehrsunsicher eingestuft und direkt vor Ort aus dem Verkehr gezogen. Das passiert bei durchgerosteten Fahrgestellen oder Bremsen bzw. Lenkung, die kaum noch oder gar nicht mehr funktionieren.

Dabei geht es auch anders. Neue Konzepte zeigt unsere Galerie.