03.02.2020

Unfallflucht – Von wegen Bagatelle

Sich nach einem Parkrempler aus dem Staub zu machen ist kein Kavaliersdelikt. Schon leichte Kratzer haben hohe Reparaturkosten zur Folge.

Ein lauter Knall lässt Anne Hild (Name geändert) kurz vor zwei Uhr nachts aus dem Bett fahren. Vom Fenster aus beobachtet die Zeugin aus Bochum-Weitmar einen schwarzen Kleinwagen, der vor einem grauen Ford Fiesta steht. Kurz darauf flieht der Fahrer mit aufheulendem Motor. Zurück bleibt ein verbeultes Fahrzeug. Noch sucht die Polizei vergeblich nach dem Täter.

Unfallfluchten bei Bagatellschäden nehmen zu

Diese Unfallflucht ist kein Einzelfall. Laut Polizeibehörden der Länder zeigten Geschädigte rund 584.000 solcher Delikte allein im Jahr 2018 an. Dagegen präsentiert die Bundesstatistik ganz andere Zahlen. Sie weist nämlich für 2018 lediglich 39.445 Unfallfluchten aus und verharmlost so das Problem. Denn das Statistische Bundesamt berücksichtigt keine Fahrerfluchten mit Bagatellschäden. Doch gerade diese nehmen zu. Und die Zahl der Unfallfluchten dürfte noch höher liegen als die Polizeibehörden bestätigen können. Denn nicht jeder Schaden wird angezeigt. Die mangelnde Aussicht, den Täter zu fassen, lässt das Opfer häufig selbst tätig werden. Wenn parkende Fahrzeuge beschädigt werden, sucht die Polizei nach aufmerksamen Zeugen. Häufig erfolglos, denn die Aufklärungsquote liegt bei 40 Prozent. Somit entkommen sechs von zehn Tätern unerkannt.

Selbst mit Vollkasko zahlt der Halter drauf

Insgesamt entsteht ein Milliardenschaden. Die Reparatur eines Parkremplers liegt rasch bei 2000 Euro. Vielfach lohnt es sich noch nicht einmal, den Schaden über die Vollkaskoversicherung abwickeln zu lassen. Denn mit einer üblichen Selbstbeteiligung von 300 Euro und dem Verlust eines Teils des Schadenfreiheitsrabatts wird die Schadenmeldung zum reinen Geldwechselspiel. Autofahrer mit kleinem Haushaltsbudget sind sogar gezwungen, mit dem beschädigten Auto weiterzufahren. Spätestens beim Verkauf des Wagens zahlt man für das behelfsmäßige Flicken des Autos die Zeche. Denn sein Wert ist gesunken. Das Opfer hat den Schaden, doch der Verursacher hat die Pflicht. Er darf sich nicht von der Unfallstelle entfernen und muss den Schaden zügig der Versicherung melden. Er muss seinen Beitrag zur Aufklärung des Unfalls leisten. Einen Zettel an der Windschutzscheibe zu hinterlassen reicht nicht aus. Und zu behaupten, dass man den Unfall nicht bemerkt habe, ist gefährlich.

Gutachter können den Unfallverlauf genau rekonstruieren – dann wird‘s richtig teuer

Die Strafverfolgungsbehörden schalten oft einen Gutachter ein, erklärt Fachanwältin Daniela Mielchen aus Hamburg. Stellt dieser dann fest, dass der Rempler bemerkbar war, wird es erst richtig teuer. Der Täter muss nicht nur eine Geldstrafe zahlen, sondern auch die Verfahrens- und Gutachterkosten tragen. So endet eine impulsive Flucht schnell in einem finanziellen Kraftakt. Selbst Freiheitsstrafen bis zu drei Jahren sind möglich. „Bei einem Ersttäter wird in der Regel eine Geldstrafe von 30 Tagessätzen festgesetzt, wobei sich die Höhe des Tagessatzes an den wirtschaftlichen Verhältnissen ausrichtet“, erklärt Daniela Mielchen. Meist ist ein Monatsgehalt zu zahlen. Gleichzeitig muss der Täter mit einem Fahrverbot von bis zu sechs Monaten rechnen.

Bei hohem Sach- oder Personenschaden droht der Führerscheinverlust

Bei einem Unfall mit einem Personenschaden oder einem Sachschaden von 1300 bis 1500 Euro droht sogar die Entziehung der Fahrerlaubnis. „Üblicherweise gibt es dann für die Neuerteilung eine Sperrfrist von sechs bis zwölf Monaten“, erläutert Mielchen. Ist der Unfallflüchtige beruflich auf seinen Führerschein angewiesen, kann das noch obendrein den Verlust des Arbeitsplatzes bedeuten. Vorläufige Hilfe bietet eine Verkehrsrechtsschutzversicherung. Wird der Täter des Vorsatzes überführt, müssen erhaltene Leistungen zurückgezahlt werden.

Die Polizei ist angewiesen auf aussagekräftige Zeugenschilderungen

Wer eine Fahrerflucht bemerkt, sollte sich als Zeuge melden. Effektiv ermitteln kann die Polizei, wenn ein Foto des Tatfahrzeuges oder des Kennzeichens vorliegen. Damit könnte die Aufklärungsquote verbessert werden. Ein höheres Entdeckungsrisiko kann die Zahl der Fluchten künftig reduzieren.

Der ACE fordert eine unkompliziertere Abwicklung

Der ACE plädiert dafür, den Straftatbestand des unerlaubten Entfernens vom Unfallort (§ 142 StGB) zu vereinfachen: Jeder Schaden ist sofort zu melden. Das kann telefonisch bei der Polizei erfolgen, wenn der andere Unfallbeteiligte nicht anwesend ist. Das Warten am Unfallort wäre dann nicht mehr notwendig. Die Verursacher sollten zudem den Schaden binnen 48 Stunden nach der Karambolage straffrei melden. Der Geschädigte, der oft wegen Unfallflucht auf seinem Schaden „sitzenbleibt“, würde ebenso profitieren. Der ACE befürwortet, die Fahrerlaubnis nur noch in gravierenden Fällen zu entziehen. Bei Remplern würde ein Fahrverbot ausreichen. Weitere Informationen rund ums Verkehrsrecht finden Sie auf der ACE-Internetseite.