04.06.2020

Vorfahrtsregel – Von Mitschuld bis Schiebung

Bei Nichtbeachtung der Vorfahrtsregeln im Straßenverkehr knallt es häufig. Nicht nur im Wortsinn, sondern auch später vor dem Richter. 

Immer auf die Schilder achten und im Zweifel Rechs-vor-links – so einfach die Vorfahrtsregeln klingen, so häufig sorgen sie für Streit im Straßenverkehr. Fünf Beispiele von deutschen Gerichten.

Vorfahrt reicht nicht immer

Trotz Vorfahrtsberechtigung kann ein Autofahrer bei einem Unfall wegen Mitverschuldens für den Schaden haftbar gemacht werden. Das Oberlandesgericht Celle hat einen Fall entschieden, bei dem es an einer Engstelle zu einer Kollision gekommen war. Der verurteilte Fahrer hatte in dieser Situation zwar das Vorfahrtsrecht, hätte durch ein leichtes Ausweichmanöver die Kollision jedoch verhindern können. Weil er das nicht getan hat, habe er das Gebot der gegenseitigen Rücksichtnahme verletzt, entschied das Gericht und ging von einer Mitschuld von 50 Prozent aus. Jeder Verkehrsteilnehmer habe einen Unfall zu vermeiden, so gut er es kann. (OLG Celle, Az. 14 U 50/17)

Vorfahrt für die Bundesstraße

Wenn man aus einem Feldweg auf eine Bundesstraße abbiegt und dabei einen Unfall verursacht, trägt man allein die Schuld. Wie das Landgericht Coburg urteilte, wiegt die Missachtung des Vorfahrtsrechts so schwer, dass dagegen auch die Betriebsgefahr des anderen Fahrzeugs völlig zurücktritt. In dem verhandelten Fall war es zu einem Unfall gekommen, als ein Fahrzeug von einem Feldweg auf eine Bundesstraße einfuhr und einem mit 100 km/h fahrenden Pkw die Vorfahrt nahm. Während der Unfallvorgang unstrittig war, meinte der Verursacher, der Kläger hätte nicht darauf vertrauen dürfen, dass das andere Fahrzeug vor der Einfahrt zur Bundesstraße warten würde. Dem widersprachen die Richter. (LG Coburg, Az: 13 O 505/12)

Vorfahrt bei Gleichberechtigten

Fahrzeuge im Kreisverkehr haben Vorfahrt – wer einfahren will, muss warten. Aber was, wenn zwei Autos gleichzeitig einfahren? Wie in dem in Düsseldorf verhandelten Fall, in dem ein Mercedes-Fahrer zu schnell in den Kreisel gefahren und auf ein ebenfalls gerade einfahrendes Auto aufgefahren war. Denn kommen zwei Autos gleichzeitig an, muss sich jeder der beiden auf das Einbiegen des anderen einstellen und die Geschwindigkeit entsprechend anpassen. Der verurteilte Fahrer hatte das nicht getan. (OLG Düsseldorf, Az 11 O 410/11)

Vorfahrt für die Tram

Straßenbahnen haben im Stadtverkehr Vorrang – auch, wenn die Ampel für das die Schienen kreuzende Auto grün zeigt. In einem am Oberlandesgericht Hamm verhandelten Fall hatte ein Autofahrer bei grüner Ampel mittels eines U-Turns wenden wollen und war auf die Gleise in der Straßenmitte gefahren. Dort erfasste ihn eine Straßenbahn. Für die Unfallfolgen sei der Kläger zu einhundert Prozent selbst verantwortlich, urteilten die Richter. Zum einen habe der Straßenbahnfahrer nicht mehr bremsen können, zum anderen sei die Ampelschaltung mit Grünlicht für Linksabbieger, die die Straßenbahnschienen kreuzen, und ebenfalls Grünlicht für die Straßenbahn rechtlich zulässig. Hier greife die in der Straßenverkehrsordnung festgelegte Vorrangregelung zu Gunsten der Schienenbahn, die auch gegenüber einem bei Grünlicht abbiegenden Linksabbieger gelte. (OLG Hamm, Az. 7 U 36/17)

Vorfahrt für Radschieber

Wer sein Fahrrad schiebt, verliert nicht automatisch das Vorfahrtsrecht. In dem in Bremen verhandelten Fall war die Klägerin auf einer Vorfahrtsstraße von ihrem Fahrrad gestiegen, um schiebend eine unübersichtliche Kreuzung zu passieren. Dabei stieß sie mit einem von links kommenden, anderen Radfahrer zusammen. Strittig war nun die Frage, ob die Frau sich auf ihr Vorfahrtsrecht berufen konnte, obwohl sie das Fahrrad im Moment des Unfalls nicht gefahren hatte. Das Gericht sagt „ja“ und wertet die Frau als Fahrzeugführerin im Sinne der Straßenverkehrsordnung. Gleiches gelte für Fahrradfahrer auch beim kurzfristigen Bremsen, Zögern, Anhalten oder Abstützen auf der Fahrbahn. (OLG Bremen, Az: 1 U 37/17)

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