22.07.2019

Audi A4 - Ein bisschen elektrisch

Nein, richtig neu ist der Audi 4 nicht. Aber selten hat ein sogenanntes Facelift ein Modell so verändert. Das gilt vor allem fürs Design und die Vernetzung mit der digitalen Außenwelt. Und elektrisch wird der A4 jetzt auch, zumindest ein bisschen.

Beim ewigen Klassenkampf um die automobile Mitte der Gesellschaft wechselt ständig die Vorherrschaft. Die Mercedes C-Klasse führt derzeit die deutsche Zulassungs-Hitliste mit gut 32.100 Einheiten an, gut 3500 Käufer weniger entschieden sich im ersten Halbjahr für den Audi A4. Dahinter rangieren die gemeinsam gewerteten 3er und 4er von BMW. Jetzt rechnet sich Audi gute Chancen aus, den Stuttgarter Rivalen ans Blech zu rücken. Denn nach vier Jahren Bauzeit wurde für den A4 eine Frischzellen-Kur fällig. Und sie soll viel mehr sein als ein Facelift.

Optisch wirkt der A4 sportlicher

Vor allem die Designer hatten bei der Update-Arbeit mehr Freiheiten als bei solchen Gelegenheiten sonst üblich. Sie veränderten nahezu jedes Blechteil und drückten den Singleframe genannten Kühlergrill etwas zusammen. Er wurde dadurch flacher und gleichzeitig breiter. Dazu leuchtet der Audi mit neu gestalteten LED-Scheinwerfern, ohne den Zacken am unteren Rand. Zum neuen Gesicht gehören auch recht große fünfeckige Lufteinlässe, die nach innen spitz zulaufen. In Summe duckt sich die Frontpartie dadurch optisch tiefer auf die Fahrbahn, was den A4 sportlicher als bislang erscheinen lässt.

Sicken und Chromleisten setzen dynamische Akzente

Die Seitenansicht wird von einer markanten Karosserie-Linie dominiert, die an der Ecke des Frontscheinwerfers beginnt und dabei die Kante der Motorhaube nachzeichnet. Die Überraschung: In Höhe des Außenspiegels wird sie gleichsam ausgeblendet, taucht erst wieder am hinteren Türgriff auf und zieht sich dann bis zur Heckleuchte. Eine weitere Sicke im unteren Bereich der Türen drückt zumindest optisch den Schwerpunkt gen Boden. Pfiffig, diese Tricks der Designer. Das gilt auch für die nunmehr durch eine Chromleiste verbundenen Rückleuchten, die den Patienten breiter erscheinen lassen, obwohl sich dessen Maße gar nicht verändert haben. Gleichzeitig nähert sich der A4 damit den größeren Modellen der Familie an.

Touchpad statt Dreh-Drück-Steller

Vor dem Start zur ersten Ausfahrt ein Rundumblick vom linken Vordersitz aus. Wo ist denn der runde einst so gepriesene sogenannte Dreh-Drück-Steller in der Mittelkonsole geblieben, mit dem Navi, Entertainment und manches mehr bedient wurden? Nun, seine Aufgaben übernimmt jetzt ein hochauflösender 10,1-Zoll-Monitor im iPad-Format, dessen Apps sich wie beim Vorbild per Fingerdruck bedienen lassen. Vorbei die einstige Besorgnis, dass fettige Fingerabdrücke in der teuren Premium-Klasse nicht zumutbar seien. Audi ist damit auch in diesem Punkt in der digitalen Gegenwart angekommen. Das Display versteht Wischgesten ebenso wie Scrollen oder Gesten mit mehreren Fingern. Die Navi-Karte kann zum Beispiel durch zwei gespreizte Finger vergrößert werden.

Die Funktionen der Audi-App können nachträglich erweitert werden

Natürlich ist das alles mit der Internet-Welt vernetzt, die zum Beispiel das Türöffnen per Smartphone ermöglicht (derzeit nur mit Android-Handys). Mit einer eigenen Audi-App hat man seinen A4 auch von zu Hause aus stets unter Kontrolle. Neu ist, dass künftige Nutzer spezielle Dienste, die zwar schon eingebaut, aber nicht freigeschaltet sind, online später dazu buchen können. Dazu gehören DAB+-Radio oder erweiterte Funktionen des MMI genannten Bediensystems. Tesla lässt grüßen.

Die neuen Diesel-Motoren sollen den Abgasskandal vergessen machen

Unser Test-Audi ist ein Kombi, denn A4-Fahrer lieben fast schon traditionell diese Karosserieform. Seine Aufnahmebereitschaft liegt mit insgesamt 1495 Litern genau zwischen dem BMW 3er-Touring (1510 l) und dem T-Modell der Mercedes C-Klasse (1480 l). Unter der Haube wartet ein Zweiliter-Diesel, dessen technische Daten wohl viele Interessenten zum Kauf bewegen werden. Audi will verlorenes Terrain wiedergewinnen, denn die treuen Diesel-Kunden waren durch den Abgasskandal bekanntlich besonders hart getroffen. Alle Motoren, davon allein fünf Diesel, erfüllen natürlich die verschärften Normen, haben gleich vier Abgasreinigungs-Systeme an Bord und sind (hoffentlich) damit blitzsauber.

Der TDI 35 bietet guten Durchzug, Fahrspaß und Komfort

Der TDI 35 ist mit seinen 120 kW/163 PS in der Dieselriege zwar „nur“ der zweischwächste Vertreter, aber wer braucht schon mehr? Das wird schon nach wenigen Kilometern deutlich, wenn die satte Durchzugskraft von 380 Newtonmetern bei niedrigen Drehzahlen zur Sache geht, gut dosiert von der serienmäßigen Siebengang-Doppelkupplungsautomatik. Beruhigend, dass das Überholen eines Trucks zwischen den Spitzkehren der Südtiroler Bergstraßen rund um Bozen schnell abgehakt ist. Erfreulich, dass auch ein Familienauto Spaßfaktor bieten kann, wenn der Fahrer aus engen Ecken heraus das rechte Pedal mal anders entdecken will. Beeindruckend, wie spielerisch und souverän Fahrwerk, Lenkung und Bremsen auf die Wünsche des Chefs hinterm Steuer reagieren.

Der A4 ist ein Langstreckenfahrzeug mit Sprintqualitäten

Die Domäne des A4 aber bleibt das gelassene Cruisen auf der Langstrecke, obwohl er als TDI 35 die linke Spur durchaus auch mal mit über 220 km/h nutzen könnte. Im Normalmodus ist lässige Entspanntheit angesagt, in niedrigen Drehzahlen eben dank des Drehmoments, mit zeitgemäßer Genügsamkeit von in der Praxis um die fünf Liter auf 100 Kilometer. Dazu trägt übrigens ein System bei, von dem die Insassen kaum etwas bemerken.

Als Mildhybrid sparsam unterwegs

Der A4 ist nämlich in die Gilde der sogenannten „Mildhybride“ aufgestiegen. Eine Zusatzbatterie wird von einem 5 kW starken Generator immer dann mit Strom versorgt, wenn bei 55 bis 160 km/h der Fuß vom Gas genommen wird. Der Verbrennungsmotor wird abgeschaltet, der Audi segelt antriebslos. Die dabei entstehende Energie wandert dann in die Batterie, die im Heck versteckt ist. Diese sorgt dafür, dass der Motor immer wieder gestartet wird, ohne dabei die Hauptbatterie zu beanspruchen. Verblüffend, wie oft die Nadel des Drehzahlmessers im normalen Fahralltag bewegungslos auf „0“ verharrt. Natürlich vor allem beim Bergabfahren. Unterm Strich soll das System fast einen halben Liter Sprit auf 100 Kilometer sparen. Das alles ist zwar nur ein bisschen elektrisch, aber zumindest ein guter Anfang.

Assistenzsysteme sind in Paketen gebündelt

Nur wenig Strom trotz hoher Leistung brauchen die zahlreichen Assistenzsysteme, die in der Preisliste zum Ankreuzen angeboten werden und in Paketen zusammengefasst sind. Zum Kapitel „Stadt“ (1440 Euro) gehören Helfer wie Einparkhilfe, Rückfahrkamera, Spurwechsel- und Ausstiegswarner oder Querverkehr-Entdeckung bei rückwärts Ausparken. Im Paket „Tour“ sind für 1400 Euro u. a. Abstandsradar, aktives Spurhalten, Verkehrszeichen-Erkennung oder Fernlichtassistent enthalten. Auch andere feine Extras haben ihren Preis: Das beste Navi mit zahlreichen Funktionen kostet 2245, das Head-up-Display in der Windschutzscheibe 980 und das 12,3 Zoll große virtuelle Cockpit hinter dem Lenkrad 600 Euro.

LED-Scheinwerfer und LED-Rückleuchten gehören jetzt zur Serienausstattung

Das alles kennen Audi-Fans. Insofern ist der Grundpreis für eben jenen 35 TDI mit 42.350 Euro natürlich nicht das letzte Wort. Gut 5000 Euro sollte man sich für seinen Wunsch-A4 schon noch zusätzlich zur Seite legen. Ein kleiner Trost: LED-Scheinwerfer und LED-Rückleuchten sind jetzt serienmäßig.

Audi A4 Avant 35 TDI  – Technische Daten

  • Fünftüriger, fünfsitziger Kombi, Länge: 4,76 Meter, Breite (mit Außenspiegeln): 2,02 Meter, Höhe: 1,46 Meter, Radstand: 2,82 Meter,  Kofferraumvolumen: 495 -1495 Liter
  • 2,0-Liter-Vierzylinder-Turbodiesel, 120 kW/163 PS, maximales Drehmoment: 380 Nm bei 1500-2750 U/min, Siebengang-Automatik, Vmax: 223 km/h, 0-100 km/h: 8,5 s, Normverbrauch: 4,2 l/100 km, CO2-Ausstoß: 110 g/km, Abgasnorm: Euro-6d-TEMP, Effizienzklasse: A+
  • Preis: ab 42.350 Euro

Audi A4 Avant 35 TDI – Kurzcharakteristik

  • Warum: fein verbessertes Design, saubere Motoren, innen auf dem neuesten Stand  
  • Warum nicht: weil man auf eine echte Elektroversion warten will
  • Was sonst: die Dauerrivalen Mercedes C-Klasse und BMW 3er