25.04.2019

Dolomiten – Biken im Reich der Fanes

Im Winter ist die Sella-Umrundung ein Muss im Skifahrerleben. Im Sommer wird sie mit E-Bike und Liftunterstützung zu einem legendären Erlebnis.

Ankunft auf der Pralongià-Hütte, auf den berühmten, namensgleichen Wiesen, die im ladinischen Nationalepos vom Reich der Fanes eine gewaltige Rolle spielen. Im opulenten Ränkespiel um den gierigen Vater und die gute Königstochter Dolasilla verliert diese durch einen Trick ihre unfehlbaren Pfeile und ihr weißer Panzer verfärbt sich schwarz. Die Weissagung der Zwerge war, dass ihr mit einem schwarzen Panzer der Tod bevorstünde. Sie sieht sich aber in der Pflicht zu kämpfen und just auf den Pralongià-Wiesen kommt es zur Entscheidungsschlacht. Dolasilla stirbt, ihr verräterischer Vater wartet am Lagazuoi und erwartet von den Feinden eine Belohnung. Diese denken aber gar nicht daran, dem König das Gold zu geben, vielmehr verwandelt sich der „falsche König“ (falza rego) in Stein. Bis heute steht er erstarrt am Falzaregopass.

Von der Pralongià-Hütte eröffnet sich ein wahrlich sagenhafter Auslick

Es ist kein Wunder, dass der kleine, unbedeutende Mensch Sagen und Legenden spinnt, um eine solch gewaltige Natur zu begreifen. Es gibt höhere Berge im Erdenrund, aber keine, die so bezaubernd sind. Wenn die Pralongià-Wiesen wie Gold im Abendlicht glänzen, wenn die Berge über Alta Badia erröten, dann sieht man ein paar der Fanes-Leute über die Wiesen huschen – und das liegt nicht am Wein der genussreichen Pralongià-Hütte!

Tierische Begegnungen auf der ersten Etappe

Die Hütte ist das erste Etappenziel einer Tour, die tierisch auf der Seiser Alm begann. Beäugt von zwei jungen Alpakas vor dem Hotel Panorama soll es mit Mountainbike-Pedelecs zum Duron-Pass gehen. Und schon nach einer halben Stunde Fahrzeit stürzt sich ein suizidales Murmeltier über den Weg und wäre fast in die Speichen geraten. Wenig später kreist der Adler über den Rosszähnen, und eine blonde Haflingerdame blickt besorgt auf ihr Kind, das noch im Fohlenpelz steckt. Man kann sie beruhigen: Der kleine Hengst ist eindeutig zu groß als Beute für den König der Lüfte.

Im Duron-Tal erlebt man Farbenspiele und trifft skurille Figuren

Der Weg steigt in weiten Serpentinen hinauf zum Pass und bergab sind die Schotterpassagen nicht ganz ohne, so wie die ersten hinunter ins Val Duron. Das Tal zieht sich zwölf Kilometer von der Seiser Alm nach Campitello di Fassa, anmutig liegt es am Duronbach, Wiesen changieren in allen Schattierungen von Grün, wenige Wolken jagen übers Himmelblau und malen Flecken ins Anthrazit der Felsen. Ein paar Highland-Rinder kauen stoisch wieder und genauso stoisch betreibt Lino Brach seine Baita (Almhütte). Und mit Humor, die schrägen Skulpturen zeigen seine Sicht der Welt: Aus einer Kanone wachsen Kunstblumen ...

Auf sicheren Pfaden durch die Steinerne Stadt

Unten in Campitello ist es sommerwarm und an der Bergstation der Col-Rodella-Bahn kommt Bergkühle zurück und eine gewaltige Optik hinüber zum Sellastock. Einiges los in den bleichen Bergen, es scheint, als sei halb Italien unterwegs, denn Italo-Sommerurlaub heißt immer, dass die Familie mit Kind und Kegel, Oma, Opa und Fiffi unterwegs ist – weswegen in der Steinernen Stadt nun auch eine Pfadspur für Wanderer ausgewiesen ist und eine für Biker. Beide enden an der Comici-Hütte, der Langkofel blickt auf das bunte Lager- und Picknickleben auf den Wiesen vor der Hütte. Ein schier endloser Wiesenweg talwärts, hin-auf nach Col Alt und über jene Wiesen, die so wichtig waren im Fanesreich.

Wer sich mit dem Bike verausgabt, hat sich eine Belohnung verdient

Am nächsten Morgen gibt die Sonne erneut alles, ein schneller Cappuccino im Hotel Armentarola und weiter geht es auf Nebenwegen nach Pedraces. Auf der LʼTamá Hütte sitzt Andrea Irsara, der schnell mal hochgebikt ist – zum Ausgleich. Er muss gleich wieder weg, in seine heimische Küche im Hotel Gran Ander. Andrea kocht zum Niederknien genial. Seine Stüa dla Lâ hat nur wenige Tische, die immer belegt sind. Seine Produkte sind regional, die Rezepte entlocken der ladinischen Küche ungeahnte Aromen. Grad bleiben möchte man anderntags, aber der Piz La Ila ruft und eine schier endlose Abfahrt nach Corvara. Rauf aufs Grödner Joch und runter nach Wolkenstein.

Über eine ehemalige Bahntrasse zurück zum Ausgangspunkt

Das gesamte Tal durchzieht ein Radweg, der auf der ehemaligen Bahnstrecke verläuft. Die Grödner Bahn war eine 31 Kilometer lange Lokalbahn, die in Klausen startete. Ihre Spurweite war eine sogenannte „bosnische“ mit 760 mm und wurde 1915/16 als Heeresfeldbahn im Ersten Weltkrieg gebaut und 1960 stillgelegt, weil das Auto seinen Siegeszug antrat. Heute nutzt sie den Bikern, bevor es zurückgeht auf die Seiser Alm. Lunch auf der Sanon-Hütte, wo die Liegestühle bunt die Wiese übersprenkeln. Ein Zitronenfalter landet auf einer Blüte des Himmelsherolds, ein paar Dohlen kreisen, hinterm Schlern zieht ein Gewitter auf, Timing ist alles im Bikerleben!

Reise-Info – Bergtour mit dem Pedelec

Die Tour:Tag eins: Seiser Alm, Hotel Panorama, Duron-Pass, Duron-Tal, Campitello, Lift Col Rodella, Steinerne Stadt, Comici-Hütte, Plan de Gralba, Wolkenstein, Lift Dantercepies aufs Grödner Joch, Colfosco, Lift Col Alt, über die Pralongià-Wiesen zur Pralongià-Hütte (Übernachtung). Tag zwei: Nach Armentarola, auf Nebenwegen nach St. Kassian, La-Tama-Hütte, Abfahrt nach Pedraces, Übernachtung im Hotel Gran Ander; Tag drei: Nach La Villa, Bahn auf den Piz La Ila, Abfahrt nach Corvara, Bahn aufs Grödner Joch, Abfahrt nach Wolkenstein, durchs gesamte Grödnertal, Auffahrt zur Seiser Alm ab St. Ulrich, über die Seiser Alm retour zum Hotel Panorama.

Karten: Die besten sind von Tabacco, erhältlich beim Versand „Landkartenhaus“.

Charakter: Mountainbiking auf mittelhohem Niveau, mit langen Abfahrten, die teils sehr geschottert sind, sinnvoll sind Fullys (vorne und hinten gefederte Mountainbikes).

Planen: Im gesamten Bereich von Dolomiti Superski laufen rund 100 Liftanlagen im Sommer, MTBs werden transportiert, auf der Website von Dolomiti Supersummer findet man geführte Touren und wertvolle Planungshilfen, dort sind auch geografische Karten der Touren abgebildet. Die Bike-Schule Ortisei führt Tages- und Zweitagestouren durch und verleiht auch Mountainbike-Pedelecs.

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