01.12.2016

Ostfriesland – Abwarten und Tee trinken

Wenn der Winterwind über den Deich bläst, entwickelt die Küste einen besonderen Charme. Für eine Tasse Tee nimmt man sich in Ostfriesland immer Zeit.

Der dampfende Teebecher liegt warm in der Hand, durch das geöffnete Fenster weht ein Hauch Seeluft herein. Warum nicht die Tage zwischen den Jahren nutzen, um den Tee dort zu genießen, wo sich Watt und Wasser im ständigen Wechsel befinden? Der Friesenspieß, die A 31, reicht bis nach Emden. Die größte Stadt Ostfrieslands ist berühmt für ihre Kunstausstellungen. Aber einen Zwischenstopp wert ist auch das Kontor des Teehauses Thiele. Hier tauchen wir ein in die Welt des Heißgetränks, nur ein in Ostfriesland gemischter Tee darf die Bezeichnung „Echter Ostfriesentee“ führen. Für den kräftigen Geschmack sorgt eine Kombination von bis zu 20 Teesorten.

300 Liter Tee trinkt jeder Ostfriese pro Jahr

Vorbei am Suurhusener Kirchturm, dem schiefsten Turm der Welt, geht es zur Küste. Der rot-gelb geringelte Leuchtturm von Pilsum erweist sich zwar nicht als ständiger Wohnsitz des Komikers Otto, erlaubt aber einen weiten Blick über das Land. Wer denkt, Ostfriesland sei im Winter menschenleer, wird in Greetsiel eines Besseren belehrt. Vor allem an den Wochenenden zieht das pittoreske Fischerdorf die Gäste an. Kessel brodeln, der Kandis knackt – nicht nur in der Doppelwindmühle am Ortseingang. Denn Tee wird immer getrunken. Sagenhafte 300 Liter schlürft jeder Ostfriese pro Jahr – zehn Mal mehr als der durchschnittliche Bundesbürger.

Norden – Die älteste Stadt Ostfrieslands

Norden, die älteste Stadt Ostfrieslands und Sitz der Teefirma Onno Behrends, ist geprägt durch stattliche Bürgerhäuser. In einem davon befindet sich seit 1922 das Ostfriesische Teemuseum. Umfassend wird über Geschichte und Bedeutung des Tees aufgeklärt, lebendige Einblicke in Anbau und Produktion gegeben. Nebenan befindet sich – von Ostern bis Oktober – in einem weiteren Museum die Sammlung Oswald von Diepholz mit Teeutensilien und Porzellan.

Nur wenige Kilometer entfernt gehört die Welt den großen und den kleinen Tieren. Das Waloseum lockt mit dem Skelett eines gestrandeten Pottwals, in der Seehundstation in Osterloog kann man Heuler bei der Aufzucht beobachten. Weiter die Küste entlang liegen, wie auf einer Perlenschnur aufgereiht, die Sielhäfen Neßmersiel, Dornumersiel und Bensersiel. Die Namen weisen auf die aus dem Inland kommenden Wasserläufe hin, die am Deich verschlossen werden können. Auch über die Weihnachtstage ist man hier auf Fremdenverkehr eingestellt, doch ansonsten der See und dem Fischfang verbunden. Frischen Fisch gibt es nicht nur in den Fischhallen von Dornumersiel, sondern auch in den Häfen direkt vom Kutter.

Ebbe und Flut prägen das Land

Es ist ein weites Land, geprägt durch den Takt der Gezeiten. Selbst an der Küste ist der Blick aufs offene Meer nicht garantiert. Im Verlauf des Monats kommt die Flut mal eine halbe, mal eineinhalb Stunden später als am Vortag. Immer abhängig vom Stand des Mondes. Auch der Hafen von Neuharlingersiel wirkt jeden Tag anders, die Schiffe heben und senken sich im Wechsel der Gezeiten. Als Zuflucht für Weihnachtsflüchter entpuppt sich Carolinensiel, in der Silvesternacht erstrahlt der Himmel in der Farbenpracht der Neujahrsraketen. Am nächsten Tag ist der Weg nach Harlesiel belebt von Sonnenhungrigen, die die ersten Strahlen des Jahres begrüßen. Die Cafés sind offen, selbst in den Außenanlagen dampfen Teekannen. Dazu ein Stück Friesentorte – wie könnte das Jahr besser beginnen?

Tee-Zeremonien in Esens laden zum Verweilen ein

Unzählige Geschichten von Teeschmugglern ranken sich um Meer und Küste. Der Stadtwachtmeister von Esens weiß sie auf einem abendlichen Rundgang zu erzählen. Immerhin mauserte sich das einstige Piratennest zur Residenzstadt. Zum Aufwärmen geht es danach in die Stadt-Schür am Markt, eine der gemütlichsten Teedielen Ostfrieslands. Empfehlenswert sind auch die vielerorts angebotenen Tee-Zeremonien, wo weder am Heißgetränk noch an Anekdoten gespart wird. Die Teetassen sind aus feinem Porzellan gearbeitet, typisch mit blauen Verzierungen, aber auch Blumenmotiven wie der ostfriesischen Rose. Oft werden die Services über Generationen weitergegeben.

Tee zu jeder Tageszeit. Vor allem, wenn draußen der Wind um die Ecken pfeift und sich der Frost um die Taue, mit denen die Schiffe an der Hafenmauer festgemacht sind, legt. An der äußersten Nordost-Spitze der ostfriesischen Halbinsel lockt Schillig mit Strand und Ausblicken. Schiffe nehmen Kurs auf die Fahrrinne des Jadebusens nach Wilhelmshaven. Über dem weiten Strand wehen Drachen durch die Lüfte. Zum Greifen nah erscheint hinter Watt und Wasser die Insel Wangerooge.

Der Kolonialwarenhandel mit Holland brachte im 17. Jahrhundert den Tee an die friesische Küste. Nur wenige Blätter reichten aus, um einen vollen Geschmack zu erzielen – zudem wurde das modrige Moorwasser durch das Abkochen erst genießbar. Obwohl das Wasser Ostfrieslands heute Bestnoten erzielt und als besonders weich gilt, blieb die Tradition des zweiten Aufgusses bestehen.

Fackelschwimmen und Deichwandern

In Aurich, wo beim Fackelschwimmen am Neujahrstag mehr als 100 Taucher und Schwimmer das Hafenbecken in ein Lichtermeer verwandeln, wurde vor fast 250 Jahren die Teefehde mit Kaiser Friedrich II. ausgetragen. Doch selbst der Alte Fritz konnte in dem zwölf Jahre währenden Teekrieg die Ostfriesen nicht von ihrem Lieblingstrunk abbringen. Der Genuss von drei Tassen Tee war, ist und bleibt Ostfriesenrecht. 

Noch einmal über den Deich gestiefelt, die Mütze weit über die Ohren gezogen. Der stete Wind rötet die Wangen. Dann am Ewigen Meer, dem größten Hochmoorsee Deutschlands, vorbei Richtung Heimat.

Eine letzte Visite noch steht in Leer aus, wo die Skulptur des Teemädchens Tweelke vor dem Stammhaus von Bünting, Ostfrieslands ältestem Teehandelshaus, steht. Das liebevoll eingerichtete Museum lohnt den Besuch, der dazugehörige Laden erinnert an die Gründerzeit. Natürlich wird nach dem Museumsbesuch Tee gereicht. Der Kandis knackt, die Sahne hält die Zeit an. Einfach schön!

Touristische Informationen

Anreise: Von Hamburg aus über die A 1, A 28, A 29 Richtung Wilhelmshaven. Von Hannover aus führen die A 7, A 27, A 28 nach Leer. Von Rhein und Ruhr bieten sich die A 31 bis Emden oder die A 1 und A 29 nach Wilhelmshaven an.

Allgemein: Ostfriesland ist großflächig auf Urlauber eingestellt, außerhalb der Saison sind die Freizeitangebote jedoch etwas begrenzt. Viele Museen und Ausstellungen haben außerhalb der Ferienzeiten nur in eingeschränktem Umfang geöffnet. Infos zu Öffnungszeiten und Preisen bieten die lokalen Fremdenverkehrsämter.

Unterkünfte: Auch im Winter stehen Ferienwohnungen in allen Preislagen zur Verfügung. Je näher am Wasser, desto kostspieliger fällt der Preis aus. Für die Zeit der Weihnachtsferien empfiehlt sich eine rechtzeitige Reservierung.

Essen und Trinken: Fangfrischer Fisch in allen Variationen, frische Krabben gibt es morgens direkt vom Kutter. Das gastronomische Angebot reicht vom Matjesbrötchen über Fischerfrühstück (Bratkartoffeln mit Krabben) bis zur vielfältigen Fischplatte. Selbstversorger werden in den zahlreichen Fischgeschäften und bei den Fischereigenossenschaften fündig. Leckermäuler sollten nicht an der traditionellen Friesentorte vorbeigehen – mehrere Schichten Blätterteig, Mürbeteig, Sahne und Pflaumenmus sind ein Geschmacks-erlebnis, das sich nicht in Kalorien aufwiegen lässt. Lohnenswert ist der Besuch einer Teestube – hier wird der Tee auf traditionelle Weise zubereitet. Ein Erlebnis ist zudem der Besuch einer Tee-Zeremonie.

Rund um den Tee: 26506 Norden: Ostfriesisches Teemuseum, Am Markt 36, www.teemuseum.de. ;26789 Leer: Bünting Teemuseum, Brunnenstraße 33; www.buenting-teemuseum.de.; 26725 Emden: Thiele Tee Kontor, Faldernstr. 31, www.thiele-tee.de.

Weitere Informationen: Ostfriesland Tourismus GmbH, Ledastraße 10, 26789 Leer, Tel. 0491 91 96 96 60, Mail: urlaub@ostfriesland.de, www.ostfriesland.de.

Teezeremonie

  • Pro Person gibt man einen Teelöffel Ostfriesenmischung in die vorgewärmte Kanne, plus einen für den Pott. Mit sprudelnd heißem Wasser zwei, drei Finger hoch auffüllen und auf dem Stövchen ziehen lassen.
  • Nach drei Minuten wirkt Tee belebend, nach vier bis fünf Minuten beruhigend. Es wird so viel heißes Wasser aufgefüllt, wieTassen zubereitet werden sollen.
  • Ein gutes Stück Kandis bildetdie Grundlage für den Genuss. Darauf wird der heiße Tee gegossen. Knackt der Kandis, hat der Tee die rechte Temperatur. Die kleinen Porzellantassen nur zu drei Vierteln füllen.
  • Der noch mit Wasser bedeckteSud eignet sich hervorragend für einen guten zweiten Aufguss. Um das Aroma zu wahren, sollte die Kerze des Stövchens nach zehn Minuten gelöscht werden.
  • Die Teesahne wird mit einem Löffel hinzugegeben. Entgegen dem Uhrzeigersinn, um die Zeit anzuhalten. Der hohe Fettgehalt der Sahne lässt sie in hellen „Wulkjes“ (Wolken) wieder an die Oberfläche kommen. Umrühren ist verpönt.
  • Getrunken wird Schicht für Schicht: Erst die Fülle der Sahne, dann das volle Aroma des Tees, zuletzt die süße Neige – schlürfen ist erlaubt. Erst der in die Tasse gestellte Löffel zeigt an, dass nicht mehr nachgeschenkt werden soll.

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