07.07.2022

Fahrradpendler-Typologie – Mit dem Rad zum Job

Berufspendeln im Sattel – das ist auf vielerlei Weise möglich und hängt davon ab, wie der Weg zur Arbeit beschaffen ist. Für fast jeden Pendler-Typen hält der Fahrradmarkt passende Modelle parat. Eine Übersicht.

Berufspendler – da denkt man an gestresste Autofahrer, die sich im Stop-and-go-Verkehr den Weg in die City bahnen. Oder an Nutzer des öffentlichen Nahverkehrs, die mit der S-Bahn aus den Außenbezirken zur Arbeit fahren. Auch das klappt angesichts von Verspätungen und Zugausfällen nicht immer ganz ohne Zwischenfälle.

Das Fahrrad wird immer beliebter

Das Fahrrad als Vehikel für den Weg zur Arbeit, das ist nach wie vor für viele Verkehrsteilnehmer nur bei kurzen Wegen eine Option. Doch die Dinge wandeln sich. Wenn es regnet oder morgens noch kalt ist, schreckt das Fahrrad zwar noch viele immer ab.

Doch in Zeiten der Pandemie fahren laut der aktuellen Regierungsstudie „Fahrradmonitor 2021" immer mehr Menschen mit dem Rad, dem unter den Verkehrsmitteln das höchste Wachstumspotential bescheinigt wird:

  • 21 Prozent der Befragten fahren regelmäßig mit dem Fahrrad oder Pedelec zur Arbeit
  • 61 Prozent tun dies nur unregelmäßig

Das Verlagerungspotenzial vom Autositz in den Sattel scheint riesig. Die stark gestiegenen Spritkosten geben aktuell einen weiteren Anlass dazu.

Die Fahrradhersteller bieten Modelle für jeden Zweck an

Parallel ist am Fahrradmarkt eine Diversifizierung zu beobachten. Heißt: Auch die Modellvielfalt ist explodiert. Für Pendler heißt das viel Gutes, denn für fast jedes Einsatzszenario gibt es Modelle. Unsere Fahrradpendler-Typologie mit Beispielmodellen.

Pendlertyp: Der Cityworker

Style in der Stadt – mit dem Urban Bike zum Büro um die Ecke: Ist die Arbeitsstätte nur einige Kilometer von zu Hause entfernt, gibt es allein einen guten Grund, mit dem Fahrrad zu fahren: Man spart Zeit.

Verkehrsökologe Jochen Eckart von der Hochschule Karlsruhe hat eine Faustregel, nach der man bis zu einer Distanz von rund fünf Kilometern im Stadtverkehr schneller am Ziel sei als mit dem Auto. Je nach Verbindung kann das auch auf den Vergleich mit öffentlichen Verkehrsmitteln zutreffen. Und hat das Bike einen E-Motor – umso besser, denn dann drohen kaum Schwitzattacken, selbst wenn es wie in Stuttgart oder anderen hügeligen Städten mal bergauf gehen sollte. Nicht nur für Anzugträger eine gute Nachricht.

Eine moderate Geschwindigkeit von 15 Kilometern pro Stunde im Sattel angenommen, ist der Arbeitsweg von fünf Kilometern in etwa 20 Minuten erledigt – von Tür zu Tür. Die Parkplatzsuche entfällt.

Das Urban Bike als Accessoire

Im Prinzip lassen sich solche Strecken mit einem ganz normalen Fahrrad gut bewältigen, ein Spezialrad braucht es dazu nicht. Immer öfter sieht man sogenannte Urban Bikes, durchgestylte Fahrräder, meist elektrifiziert, die – so ganz nebenbei – in der Stadt auch zum trendigen Mode-Statement taugen.

Mittlerweile lässt sich das aufgeräumte Design auch mit den Vorgaben der Straßen-Verkehrs-Zulassungs-Ordnung vereinen – so ist es dank Technikfortschritt möglich, StVZO-taugliche die Beleuchtung  unauffällig in Sattelstütze und Lenker verschwinden zu lassen. Solche Integration war lange Zeit technisch zu aufwendig und teuer.

Beispielprodukte Urban Bike:

  • Rose Sneak+: leichtes, stylisches und StVZO-konformes E-Bike für die City mit Hinterradnabenmotor und integrierter LED-Lichtanlage, optional: Schutzbleche, Gewicht: ab 14,6 Kilo, Reichweite: bis 100 km, Preis: ab 2.349 Euro
  • Canyon Commuter:ON 8LTD: mit Schutzblechen und Gepäckträger, entnehmbarem Fazua-Motor, 12-Gang-Kettenschaltung Shimano XT, Akku 420 Wh, Carbon-Gabel, Gewicht: 17,5 Kilo, Preis: 3.799 Euro
  • Winora-E-Flitzer: mit Schutzblechen, Gepäckträger und Licht, Nabenmotor von Mahle mit 40 Nm, integrierter Akku mit 245 Wh, Carbongabel, 27,5 Zoll-Bereifung, Zehnfach-Kettenschaltung von Shimano, Scheibenbremsen, Gewicht 16,5 kg, Preis: 2599 Euro

Pendlertyp: Der Flexible

Hop-on-hop-off – mit dem Faltrad „intermodal" zur Arbeit. Sie kennen das: Der Bus als Zubringer zur S-Bahn kommt nicht, oder von der nächstgelegenen U-Bahn-Haltestelle sind es bis zum Office noch ermüdende 1.000 Meter – eine gute Viertelstunde zu Fuß.

Für solche Szenarien bietet sich kein anderes Fahrrad so sehr an wie ein Faltrad: Man radelt zur Haltestelle, legt das Gerät zusammen und trägt es wie eine Tasche zum Sitz- oder Arbeitsplatz.

Falträder dürfen in der Regel in Bus und Bahn mitgenommen werden

Je nach Verkehrsverbund sind Falträder in Bus und Bahn Gepäckstücken gleichgestellt. Ihr Transport kostet dann keinen Cent extra. Bedingung: Sie müssen auch wirklich platzsparend zusammengefaltet sein, sonst könnte das Begleitpersonal beschweren und ein kostenpflichtiges Fahrradticket fällig werden.

E-Antrieb macht Falträder schwer

Unsere Empfehlung: auf Elektrifizierung verzichten. Denn die Extra-Kilos, die ein Falt-E-Bike wiegt, können das gefühlte Quäntchen zu viel an Gewicht sein, wenn das Fahrrad über den Bahnsteig oder im Doppelstock-Regionalexpress nach oben getragen werden soll.

Intermodale Mobilität für weniger Stau

Intermodalen Verkehr nennen Experten das, wenn man unter Nutzung mehrerer Verkehrsträger ans Ziel kommt. Diese Kombination gilt als ein Mittel, Städte vom Autoverkehr zu entlasten.

Laut dem Fahrradmonitor 2021 ist es deutlich mehr Befragten wichtig, das Fahrrad in Nah- oder Regionalverkehr mitnehmen zu können als in Fernverkehr oder Straßenbahn. Das belegt das Pendler-Potenzial der Falträder.

Beispielprodukte Faltrad:

  • Brompton T-Line: Britischer Faltrad-Klassiker mit Titanrahmen und Anbauteilen aus Carbon, Gewicht: 7,45 Kilo, Preis als Single-Speed-Version: 4385 Euro (mit 4-Gang-Schaltung: 4590 Euro); Basis-Brompton: 995 Euro
  • Riese & Müller Birdy: 18-Zoll-Räder, Faltmaß 80 x 62 x 34 cm, dank höhenverstellbarem Vorbau und verstellbarer Sattelstütze für Körpergrößen von 1,50 m bis 1,95 m, 8-Gang-Nabe, Gewicht: 12,9 Kilo, ab 2699 Euro
  • Vello Rocky: Vello Rocky, 20-Zoll-Räder, Faltmaß 57 x 79 x 29 cm, hydraulische Scheibenbremsen, Shimano Deore XT 10-Gang, Gewicht 11,9 kg, Preis: 1590 Euro

Pendlertyp: Eltern at Work

Erst zur Kita, dann zum Office – alltägliche Wege mit dem Lastenrad: Vereinbarkeit von Beruf und Familie ist auch ein Thema von Berufspendlern. Denn eine gute Mitfahrgelegenheit muss sein, damit der Nachwuchs morgens auf dem Weg zur Arbeit wohlbehalten zur Kita kommt. Und das ist im Sinne der Umwelt auch nachhaltig möglich, anstatt mit dem großen, spritschluckenden SUV, in dem manche Eltern ihren Nachwuchs kutschieren.

Mit Lastenrädern sind Kinder sicher unterwegs

Wozu schließlich werden immer mehr Lastenfahrräder auch mit Kindersitzen und Sicherheitsgurten angeboten? Mit gefederten Fahrwerken zum Schutz der jungen Knochen und Crash-optimierten Transportboxen?

Das Szenario ist dann vielmehr: Nachdem die Kinder in die Obhut der Erzieher übergeben wurden, gehts weiter zur Arbeit, und abends holt man die Kleinen mit dem Familien-Cargobike wieder ab.

Übrigens: Welche weiteren Möglichkeiten es gibt, Kinder sicher auf dem Fahrrad mitzunehmen, lesen Sie in unserem Artikel "Kindertransport mit dem Fahrrad – Mit Kind und Radel"

Vielfältige Modelle mit praktischem Zubehör

Dabei ist der Variantenreichtum groß: Es gibt Long-Tail-Räder für bis zu zwei hintereinander angebrachte Kindersitze auf dem extralangen Gepäckträger, einspurige Long-John-Bikes oder dreirädrige Lastenräder mit Kisten, in denen bis zu vier der kleinen Passagiere Platz finden.

Oft lassen sich die Kinder an Bord auch vor Regen schützen – viele Hersteller bieten passende Verdecke als Zubehör an.

Die meisten Lastenräder gibt es als Pedelec

Allein aufgrund des oft über 30 Kilo liegenden Eigengewichts von Cargo-Bikes empfiehlt sich die elektrische Unterstützung. Die meisten Modelle werden auch oder sogar ausschließlich als Pedelec angeboten.

Beispielprodukte Lastenrad:

  • Winora FUB 3W: dreirädriges Lastenrad mit Hartschaum-Box für den Transport von bis zu vier Kindern, zulässiges Gesamtgewicht: 300 kg, Preis: 5299 Euro (laut Hersteller ab Herbst 2022 erhältlich)
  • Cluuv e-cargo: Mittelmotor Bosch Performance Line CX, Akku 750 Wh (Zweitakku möglich), optional: zwei gefederte Kindersitze sowie Babyschale, stufenlose Enviolo-Schaltung, Riemenantrieb, Federgabel, Preis: ab 7619 Euro
  • MyBoo MY KUMASI EP6: Bambus-Rahmen, Shimano STEPS EP6 mit 85 Nm, Shimano Deore LINKGLIDE 10-Gang, Schutzbleche mit integrierten Gepäckstreben, Federgabel, Markstart Anfang 2023, Preis: ab 7999 Euro

Pendlertyp: Der Eilige

Vom Speckgürtel in die City – schnell, schneller, S-Pedelec: Die schnellen Elektro-Bikes unterstützen bei Geschwindigkeiten von bis zu 45 km/h und bringen auch größere Pendlerdistanzen schnell zum Schmelzen. Bis zu 20 Kilometer zur Arbeit sind so in vertretbaren Zeitrahmen gut zu bewältigen – anders als mit herkömmlichen Pedelecs, die nur bis zu 25 km/h unterstützen.

Was es bei S-Pedelecs zu beachten gilt

Doch es gibt ein paar prinzipielle Hürden auf dem Weg zur Arbeit:

  • Weil S-Pedelecs verkehrsrechtlich als Kraftfahrzeuge gelten, benötigt man wenigstens einen Führerschein der Klasse AM. Auch mit der Pkw-Fahrerlaubnis darf man aufsatteln.
  • Aufgrund ihres Status als Kleinkraftrad dürfen sie ohne spezielle Sondererlaubnis grundsätzlich nicht auf Fahrradwege – auch Abkürzungen über Forst- oder Waldwege sind damit tabu.
  • Erforderlich ist ein Versicherungskennzeichen als Nachweis einer Haftpflichtversicherung.
  • Es besteht Helmpflicht.
  • Zur vorgeschriebenen technischen Ausstattung am Bike zählen unter anderem eine Hupe, ein Rückspiegel und Fernlicht.
  • Auch die Reifen müssen für die höheren Geschwindigkeiten zugelassen sein und besitzen dazu ein spezielles Prüfzeichen (ECE-R 75).

Das alles macht S-Pedelecs nicht gerade zu den billigsten Zweirädern.

Für Großstadtpendler wären mehr Radschnellwege nötig

Doch Verkehrsexperten sprechen den S-Pedelecs für Pendelstrecken aus dem Speckgürtel in die City ein besonders großes Verlagerungspotenzial vom Auto zu, denn der Anteil der in eine Großstadt pendelndenden Radfahrenden liegt laut der Studie „Fahrradmonitor“ bei nur 14 Prozent der Befragten – ausbaufähig! Ein ideales Areal wären Radschnellwege als Einfallsrouten – doch davon gibt es bislang kaum welche. Die rechtliche Möglichkeit, sie für S-Pedelecs freizugeben, laut Bundesverkehrsministerium (BMDV) aber schon. Zuständig sind demnach die Straßenverkehrsbehörden in den Bundesländern.

Beispielprodukte S-Pedelecs:

  • Moustache Friday 27 FS Speed Dual: Pedelec mit  Doppelakku (625 Wh + 500 Wh), Mittelmotor Bosch Performance Line Speed mit 85 Nm, Reichweite: bis zu 200 Kilometer, Preis: 7499 Euro
  • HP Velotechnik Speedmachine: Liegerad, Hinterradnabenmotor Z20 RS von NEO-DRIVES, Hinter- und Vorderradfederung, von 0 auf 45 km/h in 8,29 Sekunden, Akku: 651 Wh, Gewicht ab ab 28,5 kg, erhältlich ab Herbst 2022, Preis: ab 8690 Euro
  • Stromer ST3: Heckmotor Stromer Syno Sport II, Akku 814 Wh, Fern- und Bremslicht, SIM-Karte zur Ortung, Maximal-Reichweite je nach Akku ab 150 km, Gewicht 31,1 kg, Preis: ab 7290 Euro

Pendlertyp: Der Allrounder

Ein Rad für alle Fälle – die SUV-Bikes kommen. Es war wohl nur eine Frage der Zeit, dass der SUV-Trend vom Auto aufs Fahrrad überschwappt. Ganz glücklich sind manche mit der Begriffsanalogie aber nicht. Denn die Multifunktions-Bikes verstehen sich eher als Autoersatz, als dass sie den Sport Utility Vehicles (die nicht gerade für Effizienz stehen) nacheifern.

Was SUVs und SUV-Bikes gemeinsam haben

Wo der Vergleich stimmt: Beide sind gezähmte Offroader: Die SUVs kommen vom Geländewagen, die SUV-E-Bikes vom Mountainbike. Sie haben Stollenreifen, Schaltungen mit großer Übersetzungsbandbreite für Anstiege und Ebenen, Federgabeln. Zugleich ist Alltagszubehör an Bord: von Schutzblechen, über Beleuchtung, Seitenständer bis zu Gepäckträgern.

SUV-Bikes sind Fahrräder für alle Fälle 

Pedaltretenden Berufspendlern geben die verkehrssicheren Alleskönner die volle Freiheit und Flexibilität. Feld- und Wiesenwege auf dem Weg zum Büro sind kein Problem, Abkürzungen über Wurzelpfade durch den Stadtwald ebenso wenig. Pack- und Aktentaschen können transportiert werden, auch ein kleiner Einkauf vom Supermarkt nach der Arbeit. Und für die Feierabendrunde auf dem Trail würden sich die robusten SUV-Bikes auch eignen, für Radreisen über Stock und Stein sowieso. Wer sich als Pendler nur ein Fahrrad für viele Zwecke kaufen möchte, ist mit einem SUV-Bike gut beraten. 

Beispielprodukte SUV-Bikes:

  • Flyer Goroc 2: SUV-Bike mit Touren-Vollausstattung und MTB-Bereifung, 120-mm-Federgabel und 29-Zoll-Laufrädern, Mittelmotor Panasonic GX Ultimate Pro FIT mit 95 Newtonmeter, Akku 750 Wh, Preis: ab 5349 Euro
  • Kettler Quadriga Town & Country Pro 750: 27,5-Zoll-Laufräder, Mittelmotor Bosch Performance Line CX mit  85 Nm, 100 Millimeter Federweg vorn, gefederte und absenkbare Sattelstütze, Akku 750 Wh, 12-Gang-Kettenschaltung Shimano XT, Preis: 4799 Euro
  • Stevens E--Inception TR 8.7.2 FEQ: Mittelmotor Shimano EP8, 726-Wh-Akku, Fox-Fahrwerk (120 mm Federweg), Federgabel 120 mm, absenkbare Sattelstütze, 12-Gang-Kettenschaltung Shimano XT, Preis: 5899 Euro