13.01.2023

Seilbahnen – Auf dem Luftweg zur Arbeit

Seilbahnen sind in Skigebieten unverzichtbar, in der Stadt jedoch selten zu sehen. Zumindest in Deutschland. In Metropolen weltweit gehören sie seit Jahren zum Stadtbild. Hat das schwebende Verkehrsmittel auch eine Zukunft in Deutschland?

Der Verkehr staut sich in La Paz zur Rushhour durch die halbe Stadt. Laut tönende Hupen und stickige Abgase erfüllen die Luft. Eine Gruppe Menschen nähert sich dem nächsten Fahrzeug. Sie steigen ein, schließen die Türen und heben ab, über die Automassen hinweg.

Leitfaden für Städte und Gemeinden

Keine Sciene-Fiction, sondern Alltag in Bolivien. Alltag, wie er auch in Deutschland eintreten soll, mit einem noch etwas belächelten neuen Verkehrsmittel. „Mit einer Seilbahn überwinden Sie fast jedes Hindernis.“ So schwärmt Verkehrsminister Volker Wissing im Leitfaden „Urbane Seilbahnen im öffentlichen Nahverkehr“. Diesen hat sein Ministerium Ende 2022 veröffentlicht. Damit erhalten Kommunen Unterstützung, um zu prüfen, ob eine Seilbahn den örtlichen Nahverkehr sinnvoll ergänzen kann.

Internationale Vorbilder

La Paz/Bolivien: Größtes Seilbahnnetz der Welt

La Paz und die Nachbarstadt El Alto haben derzeit mit einer Länge von über 30 Kilometern und zehn Linien das größte Seilbahnnetz der Welt. Hauptverkehrsmittel war vorher eine Flotte von Minibussen und Taxis ohne feste Haltestellen. Schlechte Straßen und viel Verkehr führten aber zu Staus und großer Unpünktlichkeit.

Ein Schienennetz zu verlegen ist schwierig. La Paz liegt in den Anden. Zwischen den Stadtteilen besteht zum Teil ein Höhenunterschied von über 1.000 Metern. Für eine Seilbahn jedoch kein Problem.

2012 wurde ein österreichisches Unternehmen beauftragt und 2014 fuhren die ersten Gondeln der Línea Roja, der roten Linie. Inzwischen fahren damit täglich über 300.000 Menschen.

Toulouse/Frankreich: Schneller über den Fluss

In Toulouse in Südfrankreich wurde im Mai 2022 die Téléphérique Urbain Sud eröffnet. Hier war nicht die Gebirgslage das Problem, sondern der Fluss Garonne. Im Zentrum der Stadt gibt es zwar viele Brücken, im Süden jedoch nicht. Für die drei Kilometer lange Strecke benötigen die Fahrgäste per Gondel 10 Minuten. Mit dem Auto sind sie 30 Minuten unterwegs.

Beispiele in Deutschland

Berlin: Schwebend über den Park

Zur Internationalen Gartenausstellung entstand 2017 in Berlin Marzahn eine Seilbahn zu den Gärten der Welt. Der Blick von oben über die Parkanlage ist einmalig. Ende November wurde ihr Betrieb für weitere zehn Jahre bis 2033 verlängert. Diese Bahn ist allerdings nicht Teil des öffentlichen Nahverkehrs, die Einzelfahrt kostet 6,50 Euro.

Koblenz: Vom Gartenschau-Highlight zum Dauerbrenner

In Koblenz verbindet seit 2010 eine Seilbahn das Rheinufer mit der Festung Ehrenbreitstein auf dem gleichnamigen Felsplateau 180 Meter über dem Fluss.

Gebaut wurde auch sie erst als Ergänzung der Gartenschau 2011 und sollte 2013 wieder abgebaut werden. Schließlich wurde der Betrieb verlängert.

Die Seilbahn bietet nicht nur eine spektakuläre Sicht auf den Rhein, sondern bindet auch die Festung umweltfreundlich und barrierefrei an. Auch sie ist nicht an den öffentlichen Nahverkehr angeschlossen und eher eine Touristenattraktion.

Mannheim: Neue Seilbahn zur Bundesgartenschau

Ganz aktuell wird in Mannheim eine Seilbahn gebaut. Auch sie ist Teil einer Gartenschau, der BuGa23, und soll nach deren Ende wieder abgebaut werden. Vielleicht entwickelt auch sie sich zum langfristigen Touristenmagneten?

Ergänzung für den Nahverkehr

Mit dem neuen Leitfaden „Urbane Seilbahnen im öffentlichen Nahverkehr“ möchte das Verkehrsministerium aber nicht den Tourismus fördern, sondern die urbane Mobilität.

Seilbahnen sollen als neues Verkehrsmittel etabliert werden und erhalten dementsprechend vom Bund eine Förderung. Und der Bund sieht viel Potenzial in Deutschland. Über 100 Projektideen gab es bundesweit bereits – umgesetzt wurde davon noch keines.

Wie Städte durch Seilbahnen profitieren

Die Vorteile des luftigen Verkehrsmittels für die urbane Mobilität liegen auf der Hand.

  • Seilbahnen können Hindernisse wie Steilhänge, Flüsse oder dicht besiedelte Gebiete einfach überbrücken, wo Straßen oder Schienen mit erheblichem Mehraufwand gebaut werden müssen und damit zu einer deutlichen Fahrzeitverlängerung führen.
  • Bestehende Liniennetze können einfach verlängert werden. Im Vergleich zum Bau einer U-Bahn ist eine Seilbahn billiger und schneller gebaut.
  • Seilbahnen können den Verkehr entlasten, ohne dass neue Straßen gebaut werden müssen.
  • Seilbahnen benötigen nur eine geringe Fläche.
  • Auch ein Fahrplan erübrigt sich in den meisten Fällen, da je nach Taktung stets eine neue Kabine zur Verfügung steht.
  • Der Transport ist zudem emissionsarm und das Ganze damit eine klimafreundliche Alternative.

Warum Seilbahnprojekte in der Kritik stehen

Nicht jede Seilbahn wird euphorisch begrüßt. In London wurde zu den Olympischen Spielen 2012 eine Verbindung über die Themse gebaut, um die Stadien auf beiden Seiten des Flusses zu verbinden. Die Bahn steht in der Kritik. Die Baukosten waren deutlich höher als veranschlagt und die Bahn ist unattraktiv für Pendelnde. Die einfache Fahrt kostet umgerechnet etwa 5,70 Euro. In La Paz lediglich etwa 42 Cent.

In Hamburg war eine Seilbahn von St. Pauli über die Elbe geplant. In einem Bürgerentscheid 2014 stimmten jedoch 63,4 Prozent gegen das Projekt. Ein Argument unter anderen war die Beeinträchtigung des Stadtbilds.

In Deutschland sind Seilbahnen noch Zukunftsmusik

Autofahrende in Deutschland müssen also vermutlich noch einige Jahre warten, bis sie über den Automassen schweben können. In La Paz steigt die Gruppe von Menschen aus ihrer Gondel und schlendert den kurzen Weg nach Hause. Der Lärm und Smog liegt hinter ihnen. Ein schönes Vorbild für eine umweltfreundliche Mobilität in der Zukunft. Auch für Deutschland.